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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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Bilder abgeschildert. Man habe auchdruckt
worden?

diejenige Lehr-Art vor die beste gehalten,
worinne man sich vieler Gleichniß-Reden
bedienet. GOtt habe derowegen vermö-
ge seiner Weißheit nicht zugeben können,
daß seine Schrifften und Offenbahrungen
so schlechthin und ohne damahls gebräuchli-
chen Zierrath wären aufgesetzt worden, son-
dern er habe seine Lehren mit eben einer sol-
chen Annehmlichkeit wollen vortragen las-
sen, welche andere ihren Gedancken durch
verblühmte Redens-Arten zu geben pfleg-
ten. Und aus dieser Absicht sey die hei-
lige Schrifft mit so vielen Gleichnissen und
verblühmten Redens-Arten angefüllet wor-
den, damit man damahls nicht habe schlies-
sen mögen: diese Schrifften seyen schlecht
und haben weniger Leben als ein Werck,
welches von einem geschickten Menschen
aufgesetzt worden, und müsse dahero nicht
GOTT sondern einen Menschen zum Ur-
heber haben, dessen Einfalt man gleich aus
den schlechten Worten abnehmen könne.
Es hat diese Ursache ihre Richtigkeit (*):
damit aber denen Spöttern das Maul
noch mehr möge gestopffet werden, so wol-
len wir noch eine wichtigere Ursache an-
führen, welche GOtt bewogen besonders

die
(*) Daß vor alten Zeiten so wohl Geschichte
als auch Lebens-Regeln in Gleichnissen zu be-
schreiben sehr beliebt gewesen, können bloß die
vielen Gedichte der Poeten und die Aesopischen
Fabeln beweisen. Und wer in den Jüdischen
Sachen nicht unerfahren ist, der weiß, wie sehr
die Juden sich an Gleichnissen ergötzet. Diejeni-
gen, welche sich stossen an die Redens-Arten des
hohen Lieds Salomonis, geben zu erkennen, daß
sie die Schreib-Arth der Alten, besonders der
Juden nicht wissen. Denn sonst müste ihnen
bekannt seyn, daß es den Juden sehr gewöhnlich,
sich unter dem Bilde einer Frauen, deren Mann
GOtt ist, abzuschildern und darzustellen. Und
was war also der Weißheit GOttes gemässer, als
seine Schrifften und Lehren so abfassen zu lassen,
wie die damahlige Schreib Arth es erforderte,
damit auch die äusserliche Zierde und Annehm-
lichkeit die Menschen bewegen möchte, sie desto
fleißiger zu lesen? Ja daß die Schreib Arth
auch heutiges Tages noch sehr bequem sey, so
wohl Geschichte als Lebens-Regeln vorzutragen
und die Thorheit der Laster vorzustellen, zeigen
der so beliebte Hamburgische Patriote, die ver-
nünfftige Tadlerin, und andere dergleichen
Schrifften, und ist die Schreib-Art auch noch an-
jetzt das beste Mittel zu machen, daß ein Buch von
dem grösten Hauffen mit Vergnügen gelesen wer-
de. Man muß sich also wundern, daß man das-
jenige an der H. Schrifft tadelt und verwirfft,
was man an andern Schrifften vor vernünfftig,
artig und schön hält.
Erstes Stück. E





Bilder abgeſchildert. Man habe auchdruckt
worden?

diejenige Lehr-Art vor die beſte gehalten,
worinne man ſich vieler Gleichniß-Reden
bedienet. GOtt habe derowegen vermoͤ-
ge ſeiner Weißheit nicht zugeben koͤnnen,
daß ſeine Schrifften und Offenbahrungen
ſo ſchlechthin und ohne damahls gebraͤuchli-
chen Zierrath waͤren aufgeſetzt worden, ſon-
dern er habe ſeine Lehren mit eben einer ſol-
chen Annehmlichkeit wollen vortragen laſ-
ſen, welche andere ihren Gedancken durch
verbluͤhmte Redens-Arten zu geben pfleg-
ten. Und aus dieſer Abſicht ſey die hei-
lige Schrifft mit ſo vielen Gleichniſſen und
verbluͤhmten Redens-Arten angefuͤllet wor-
den, damit man damahls nicht habe ſchlieſ-
ſen moͤgen: dieſe Schrifften ſeyen ſchlecht
und haben weniger Leben als ein Werck,
welches von einem geſchickten Menſchen
aufgeſetzt worden, und muͤſſe dahero nicht
GOTT ſondern einen Menſchen zum Ur-
heber haben, deſſen Einfalt man gleich aus
den ſchlechten Worten abnehmen koͤnne.
Es hat dieſe Urſache ihre Richtigkeit (*):
damit aber denen Spoͤttern das Maul
noch mehr moͤge geſtopffet werden, ſo wol-
len wir noch eine wichtigere Urſache an-
fuͤhren, welche GOtt bewogen beſonders

die
(*) Daß vor alten Zeiten ſo wohl Geſchichte
als auch Lebens-Regeln in Gleichniſſen zu be-
ſchreiben ſehr beliebt geweſen, koͤnnen bloß die
vielen Gedichte der Poeten und die Aeſopiſchen
Fabeln beweiſen. Und wer in den Juͤdiſchen
Sachen nicht unerfahren iſt, der weiß, wie ſehr
die Juden ſich an Gleichniſſen ergoͤtzet. Diejeni-
gen, welche ſich ſtoſſen an die Redens-Arten des
hohen Lieds Salomonis, geben zu erkennen, daß
ſie die Schreib-Arth der Alten, beſonders der
Juden nicht wiſſen. Denn ſonſt muͤſte ihnen
bekannt ſeyn, daß es den Juden ſehr gewoͤhnlich,
ſich unter dem Bilde einer Frauen, deren Mann
GOtt iſt, abzuſchildern und darzuſtellen. Und
was war alſo der Weißheit GOttes gemaͤſſer, als
ſeine Schrifften und Lehren ſo abfaſſen zu laſſen,
wie die damahlige Schreib Arth es erforderte,
damit auch die aͤuſſerliche Zierde und Annehm-
lichkeit die Menſchen bewegen moͤchte, ſie deſto
fleißiger zu leſen? Ja daß die Schreib Arth
auch heutiges Tages noch ſehr bequem ſey, ſo
wohl Geſchichte als Lebens-Regeln vorzutragen
und die Thorheit der Laſter vorzuſtellen, zeigen
der ſo beliebte Hamburgiſche Patriote, die ver-
nuͤnfftige Tadlerin, und andere dergleichen
Schrifften, und iſt die Schreib-Art auch noch an-
jetzt das beſte Mittel zu machen, daß ein Buch von
dem groͤſten Hauffen mit Vergnuͤgen geleſen wer-
de. Man muß ſich alſo wundern, daß man das-
jenige an der H. Schrifft tadelt und verwirfft,
was man an andern Schrifften vor vernuͤnfftig,
artig und ſchoͤn haͤlt.
Erſtes Stuͤck. E
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[65/0101] Bilder abgeſchildert. Man habe auch diejenige Lehr-Art vor die beſte gehalten, worinne man ſich vieler Gleichniß-Reden bedienet. GOtt habe derowegen vermoͤ- ge ſeiner Weißheit nicht zugeben koͤnnen, daß ſeine Schrifften und Offenbahrungen ſo ſchlechthin und ohne damahls gebraͤuchli- chen Zierrath waͤren aufgeſetzt worden, ſon- dern er habe ſeine Lehren mit eben einer ſol- chen Annehmlichkeit wollen vortragen laſ- ſen, welche andere ihren Gedancken durch verbluͤhmte Redens-Arten zu geben pfleg- ten. Und aus dieſer Abſicht ſey die hei- lige Schrifft mit ſo vielen Gleichniſſen und verbluͤhmten Redens-Arten angefuͤllet wor- den, damit man damahls nicht habe ſchlieſ- ſen moͤgen: dieſe Schrifften ſeyen ſchlecht und haben weniger Leben als ein Werck, welches von einem geſchickten Menſchen aufgeſetzt worden, und muͤſſe dahero nicht GOTT ſondern einen Menſchen zum Ur- heber haben, deſſen Einfalt man gleich aus den ſchlechten Worten abnehmen koͤnne. Es hat dieſe Urſache ihre Richtigkeit (*): damit aber denen Spoͤttern das Maul noch mehr moͤge geſtopffet werden, ſo wol- len wir noch eine wichtigere Urſache an- fuͤhren, welche GOtt bewogen beſonders die druckt worden? (*) Daß vor alten Zeiten ſo wohl Geſchichte als auch Lebens-Regeln in Gleichniſſen zu be- ſchreiben ſehr beliebt geweſen, koͤnnen bloß die vielen Gedichte der Poeten und die Aeſopiſchen Fabeln beweiſen. Und wer in den Juͤdiſchen Sachen nicht unerfahren iſt, der weiß, wie ſehr die Juden ſich an Gleichniſſen ergoͤtzet. Diejeni- gen, welche ſich ſtoſſen an die Redens-Arten des hohen Lieds Salomonis, geben zu erkennen, daß ſie die Schreib-Arth der Alten, beſonders der Juden nicht wiſſen. Denn ſonſt muͤſte ihnen bekannt ſeyn, daß es den Juden ſehr gewoͤhnlich, ſich unter dem Bilde einer Frauen, deren Mann GOtt iſt, abzuſchildern und darzuſtellen. Und was war alſo der Weißheit GOttes gemaͤſſer, als ſeine Schrifften und Lehren ſo abfaſſen zu laſſen, wie die damahlige Schreib Arth es erforderte, damit auch die aͤuſſerliche Zierde und Annehm- lichkeit die Menſchen bewegen moͤchte, ſie deſto fleißiger zu leſen? Ja daß die Schreib Arth auch heutiges Tages noch ſehr bequem ſey, ſo wohl Geſchichte als Lebens-Regeln vorzutragen und die Thorheit der Laſter vorzuſtellen, zeigen der ſo beliebte Hamburgiſche Patriote, die ver- nuͤnfftige Tadlerin, und andere dergleichen Schrifften, und iſt die Schreib-Art auch noch an- jetzt das beſte Mittel zu machen, daß ein Buch von dem groͤſten Hauffen mit Vergnuͤgen geleſen wer- de. Man muß ſich alſo wundern, daß man das- jenige an der H. Schrifft tadelt und verwirfft, was man an andern Schrifften vor vernuͤnfftig, artig und ſchoͤn haͤlt. Erſtes Stuͤck. E

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/101>, abgerufen am 23.11.2024.