heilig, um in Bildern und Worten nachgespie- gelt zu werden. Und wer vermöchte jenen Blitzstrahl dahin abzulenken; Leblosem den le- bendigen Kuß der Liebe zu verleihen? Nein, schaue selbst -- den verklärten Blick -- Won- negefühl über ihn, die Augenlieder decken -- und ein Unermeßliches dem Geiste aufgethan!
Wohl glaube ich Dir, daß Du es im Grun- de in der Welt so schlimm nicht hast, wie arg es Dir auch ergangen ist, und so viel auch jetzt noch Deiner Leiden sind. Eine immer reiner und voller klingende Saite auf der Laute der Natur; ein immer mächtigeres Organ in dem Ganzen des Allliebenden zu werden: o, das lohnt Dir jeden Schmerz!
Dornen malmen, sie zu Pflaumfedern wühlen, lernte ich lange; und nun weiß ich, daß es für den Menschen eine Lauterkeit des Sinnes -- mit ihr eine Kraft und Stätigkeit des Willens giebt -- eine Erleuchtung, Wahr- heit, Eigenheit und Consistenz des Herzens
heilig, um in Bildern und Worten nachgeſpie- gelt zu werden. Und wer vermoͤchte jenen Blitzſtrahl dahin abzulenken; Lebloſem den le- bendigen Kuß der Liebe zu verleihen? Nein, ſchaue ſelbſt — den verklaͤrten Blick — Won- negefuͤhl uͤber ihn, die Augenlieder decken — und ein Unermeßliches dem Geiſte aufgethan!
Wohl glaube ich Dir, daß Du es im Grun- de in der Welt ſo ſchlimm nicht haſt, wie arg es Dir auch ergangen iſt, und ſo viel auch jetzt noch Deiner Leiden ſind. Eine immer reiner und voller klingende Saite auf der Laute der Natur; ein immer maͤchtigeres Organ in dem Ganzen des Allliebenden zu werden: o, das lohnt Dir jeden Schmerz!
Dornen malmen, ſie zu Pflaumfedern wuͤhlen, lernte ich lange; und nun weiß ich, daß es fuͤr den Menſchen eine Lauterkeit des Sinnes — mit ihr eine Kraft und Staͤtigkeit des Willens giebt — eine Erleuchtung, Wahr- heit, Eigenheit und Conſiſtenz des Herzens
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heilig, um in Bildern und Worten nachgeſpie-
gelt zu werden. Und wer vermoͤchte jenen
Blitzſtrahl dahin abzulenken; Lebloſem den le-
bendigen Kuß der Liebe zu verleihen? Nein,
ſchaue ſelbſt — den verklaͤrten Blick — Won-
negefuͤhl uͤber ihn, die Augenlieder decken —
und ein Unermeßliches dem Geiſte aufgethan!
Wohl glaube ich Dir, daß Du es im Grun-
de in der Welt ſo ſchlimm nicht haſt, wie arg
es Dir auch ergangen iſt, und ſo viel auch jetzt
noch Deiner Leiden ſind. Eine immer reiner
und voller klingende Saite auf der Laute der
Natur; ein immer maͤchtigeres Organ in dem
Ganzen des Allliebenden zu werden: o, das
lohnt Dir jeden Schmerz!
Dornen malmen, ſie zu Pflaumfedern
wuͤhlen, lernte ich lange; und nun weiß ich,
daß es fuͤr den Menſchen eine Lauterkeit des
Sinnes — mit ihr eine Kraft und Staͤtigkeit
des Willens giebt — eine Erleuchtung, Wahr-
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/98>, abgerufen am 21.11.2024.
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