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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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zwey. Kleinigkeit! Aber am folgenden Tage
vor dem Vater zu erscheinen! Alles in der
Welt; nur das Ausschelten konnte der Junge
nicht leiden. Man hatte es diesmal leicht bey
dem Major dahin gebracht, daß er seinem
Eduard alle Strafe, und noch oben drein das
zu Tische Sitzen erließ. Nun aber sollte
nach dem Essen der Junge denn doch vor ihm
erscheinen; und da entstand große Noth. Der
schüchterne Starrkopf wollte durchaus nicht
hinunter, bis sein älterer Bruder Wilhelm,
ein feiner, beredter, doch aber grundguter
Knabe, ihn unter den heiligsten Versicherun-
gen, der Vater werde der zerquetschten Nase
mit keiner Miene erwähnen, endlich dazu ver-
mochte. Große Mühe hatte es dennoch ge-
kostet, weil Wilhelms Kunst Eduard schon in
so manchen schlimmen Handel verwickelt hat-
te; aber eine unversiegende Quelle von Glau-
ben im Grunde seines Herzens überschwemmte
immer bald sein Gedächtniß, so daß er auch
noch von dieser Seite nicht viel weiser gewor-
den ist. Nun wanderte Eduard an des Bruders

Hand

zwey. Kleinigkeit! Aber am folgenden Tage
vor dem Vater zu erſcheinen! Alles in der
Welt; nur das Ausſchelten konnte der Junge
nicht leiden. Man hatte es diesmal leicht bey
dem Major dahin gebracht, daß er ſeinem
Eduard alle Strafe, und noch oben drein das
zu Tiſche Sitzen erließ. Nun aber ſollte
nach dem Eſſen der Junge denn doch vor ihm
erſcheinen; und da entſtand große Noth. Der
ſchuͤchterne Starrkopf wollte durchaus nicht
hinunter, bis ſein aͤlterer Bruder Wilhelm,
ein feiner, beredter, doch aber grundguter
Knabe, ihn unter den heiligſten Verſicherun-
gen, der Vater werde der zerquetſchten Naſe
mit keiner Miene erwaͤhnen, endlich dazu ver-
mochte. Große Muͤhe hatte es dennoch ge-
koſtet, weil Wilhelms Kunſt Eduard ſchon in
ſo manchen ſchlimmen Handel verwickelt hat-
te; aber eine unverſiegende Quelle von Glau-
ben im Grunde ſeines Herzens uͤberſchwemmte
immer bald ſein Gedaͤchtniß, ſo daß er auch
noch von dieſer Seite nicht viel weiſer gewor-
den iſt. Nun wanderte Eduard an des Bruders

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[32/0070] zwey. Kleinigkeit! Aber am folgenden Tage vor dem Vater zu erſcheinen! Alles in der Welt; nur das Ausſchelten konnte der Junge nicht leiden. Man hatte es diesmal leicht bey dem Major dahin gebracht, daß er ſeinem Eduard alle Strafe, und noch oben drein das zu Tiſche Sitzen erließ. Nun aber ſollte nach dem Eſſen der Junge denn doch vor ihm erſcheinen; und da entſtand große Noth. Der ſchuͤchterne Starrkopf wollte durchaus nicht hinunter, bis ſein aͤlterer Bruder Wilhelm, ein feiner, beredter, doch aber grundguter Knabe, ihn unter den heiligſten Verſicherun- gen, der Vater werde der zerquetſchten Naſe mit keiner Miene erwaͤhnen, endlich dazu ver- mochte. Große Muͤhe hatte es dennoch ge- koſtet, weil Wilhelms Kunſt Eduard ſchon in ſo manchen ſchlimmen Handel verwickelt hat- te; aber eine unverſiegende Quelle von Glau- ben im Grunde ſeines Herzens uͤberſchwemmte immer bald ſein Gedaͤchtniß, ſo daß er auch noch von dieſer Seite nicht viel weiſer gewor- den iſt. Nun wanderte Eduard an des Bruders Hand

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/70>, abgerufen am 22.11.2024.