dafür seyn mögen: wer nicht weiß, wie man sich auf Dornen bettet, den hat die beste Rast noch nicht erquickt!
Freylich wäre alles dies Sagen nichts, wenn mein Herz von den Menschen los wäre; aber, gewiß, es hängt an ihnen mit seinen besten Nerven. Kann doch niemand sich er- wehren, die Kinder zu lieben, an denen wir sicher nicht mehr haben, und von denen wir nicht mehr erwarten, als ich von meinen Men- schen. So einen kleinen, hübschen, muntern Jungen, wenn ihr den an euch drückt, ihn küßt und herzt, und ihn nicht lassen könnt; ist das wohl, weil ihr den vortreflichen Mann denkt, der vielleicht in ihm verborgen ist? Nein; das bloße Kind zieht euch an, wie es in dem gegenwärtigen Augenblicke vor euch leibt und lebt; weil es ist lieblich anzuschauen, süssen Mund, freundliche, blickende Augen, hü- pfende Glieder, Leib und Leben hat wie ihr, und seine Nerven mit den eurigen Triller schlagen. Ihr wißt, daß ihr seine Zuneigung
dafuͤr ſeyn moͤgen: wer nicht weiß, wie man ſich auf Dornen bettet, den hat die beſte Raſt noch nicht erquickt!
Freylich waͤre alles dies Sagen nichts, wenn mein Herz von den Menſchen los waͤre; aber, gewiß, es haͤngt an ihnen mit ſeinen beſten Nerven. Kann doch niemand ſich er- wehren, die Kinder zu lieben, an denen wir ſicher nicht mehr haben, und von denen wir nicht mehr erwarten, als ich von meinen Men- ſchen. So einen kleinen, huͤbſchen, muntern Jungen, wenn ihr den an euch druͤckt, ihn kuͤßt und herzt, und ihn nicht laſſen koͤnnt; iſt das wohl, weil ihr den vortreflichen Mann denkt, der vielleicht in ihm verborgen iſt? Nein; das bloße Kind zieht euch an, wie es in dem gegenwaͤrtigen Augenblicke vor euch leibt und lebt; weil es iſt lieblich anzuſchauen, ſuͤſſen Mund, freundliche, blickende Augen, huͤ- pfende Glieder, Leib und Leben hat wie ihr, und ſeine Nerven mit den eurigen Triller ſchlagen. Ihr wißt, daß ihr ſeine Zuneigung
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dafuͤr ſeyn moͤgen: wer nicht weiß, wie man
ſich auf Dornen bettet, den hat die beſte Raſt
noch nicht erquickt!
Freylich waͤre alles dies Sagen nichts,
wenn mein Herz von den Menſchen los waͤre;
aber, gewiß, es haͤngt an ihnen mit ſeinen
beſten Nerven. Kann doch niemand ſich er-
wehren, die Kinder zu lieben, an denen wir
ſicher nicht mehr haben, und von denen wir
nicht mehr erwarten, als ich von meinen Men-
ſchen. So einen kleinen, huͤbſchen, muntern
Jungen, wenn ihr den an euch druͤckt, ihn
kuͤßt und herzt, und ihn nicht laſſen koͤnnt;
iſt das wohl, weil ihr den vortreflichen Mann
denkt, der vielleicht in ihm verborgen iſt? Nein;
das bloße Kind zieht euch an, wie es in dem
gegenwaͤrtigen Augenblicke vor euch leibt und
lebt; weil es iſt lieblich anzuſchauen, ſuͤſſen
Mund, freundliche, blickende Augen, huͤ-
pfende Glieder, Leib und Leben hat wie ihr,
und ſeine Nerven mit den eurigen Triller
ſchlagen. Ihr wißt, daß ihr ſeine Zuneigung
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/60>, abgerufen am 24.11.2024.
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