wird, als sollte dergleichen dauern, als er- wartete ich es; so überfällt mich doch gleich eine Schwermuth, ein Zagen, daß ich vergehen möchte. Wie warm auch von aussen mein Herz sich anfühlt, wie von sich scheinend es auch ist; so dünkt es mich doch alsdenn in der Tiefe kalt. Ja, das ist es, daß jede Anwand- lung von Vertrauen, von Freundschaft in mei- ner Seele zum Trauer- und Schreckengedan- ken wird; daß ich es gleich so hell vor mir habe, daß es nur Wiedererscheinung ist jener längst entwichenen Engelsgestalt, welche mir in den Schooß ein Todtengerippe gab.
Ach! Clerdon, Amalia, Schwestern, zürnt nicht über Eure Sylli! Ihr wißt ja meine Geschichte zum Theil; -- und wenn Ihr sie ganz wüßtet, Euch das alles offenbar wä- re, was hier tief und fest verschlossen liegt! -- Aber redet, zeugt; ist es meine Schuld, daß es so mit mir geworden ist? War ich zaghaft, weichlich; dachte ich wohl darauf, mir Schmerz, Thränen zu ersparen; brachte ich
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wird, als ſollte dergleichen dauern, als er- wartete ich es; ſo uͤberfaͤllt mich doch gleich eine Schwermuth, ein Zagen, daß ich vergehen moͤchte. Wie warm auch von auſſen mein Herz ſich anfuͤhlt, wie von ſich ſcheinend es auch iſt; ſo duͤnkt es mich doch alsdenn in der Tiefe kalt. Ja, das iſt es, daß jede Anwand- lung von Vertrauen, von Freundſchaft in mei- ner Seele zum Trauer- und Schreckengedan- ken wird; daß ich es gleich ſo hell vor mir habe, daß es nur Wiedererſcheinung iſt jener laͤngſt entwichenen Engelsgeſtalt, welche mir in den Schooß ein Todtengerippe gab.
Ach! Clerdon, Amalia, Schweſtern, zuͤrnt nicht uͤber Eure Sylli! Ihr wißt ja meine Geſchichte zum Theil; — und wenn Ihr ſie ganz wuͤßtet, Euch das alles offenbar waͤ- re, was hier tief und feſt verſchloſſen liegt! — Aber redet, zeugt; iſt es meine Schuld, daß es ſo mit mir geworden iſt? War ich zaghaft, weichlich; dachte ich wohl darauf, mir Schmerz, Thraͤnen zu erſparen; brachte ich
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wird, als ſollte dergleichen dauern, als er-
wartete ich es; ſo uͤberfaͤllt mich doch gleich eine
Schwermuth, ein Zagen, daß ich vergehen
moͤchte. Wie warm auch von auſſen mein
Herz ſich anfuͤhlt, wie von ſich ſcheinend es
auch iſt; ſo duͤnkt es mich doch alsdenn in der
Tiefe kalt. Ja, das iſt es, daß jede Anwand-
lung von Vertrauen, von Freundſchaft in mei-
ner Seele zum Trauer- und Schreckengedan-
ken wird; daß ich es gleich ſo hell vor mir
habe, daß es nur Wiedererſcheinung iſt jener
laͤngſt entwichenen Engelsgeſtalt, welche mir
in den Schooß ein Todtengerippe gab.
Ach! Clerdon, Amalia, Schweſtern,
zuͤrnt nicht uͤber Eure Sylli! Ihr wißt ja
meine Geſchichte zum Theil; — und wenn Ihr
ſie ganz wuͤßtet, Euch das alles offenbar waͤ-
re, was hier tief und feſt verſchloſſen liegt! —
Aber redet, zeugt; iſt es meine Schuld, daß
es ſo mit mir geworden iſt? War ich zaghaft,
weichlich; dachte ich wohl darauf, mir
Schmerz, Thraͤnen zu erſparen; brachte ich
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/55>, abgerufen am 22.11.2024.
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