Sklaverey und Freyheit eines jeden insbesondere ausmacht: das entscheidet. Es entscheidet und stehet da im Vermögen -- nicht des Syllogis- mus (welches man mit dem Vermögen der Ei- nen Hälfte einer Scheere oder Zange vergleichen könnte) -- sondern der Gesinnungen; im Vermögen eines unveränderlichen, über alle Lei- denschaften siegenden Affects. Wenn ich auf das Wort eines Namentlichen Mannes fuße, so bringe ich dabey seine reine Vernunft nicht mehr, als die Bewegung seiner Lippen und den Schall aus seinem Munde in Anschlag. Ich traue dem Worte um des Mannes, und dem Manne um sein selbst willen. Was in ihm mich gewiß macht, ist seine Sinnesart, sein Geschmack, sein Gemüth und Charakter. Ich gründe meinen Bund mit ihm auf den Bund, den er mit sich selbst hat, wodurch er ist der er seyn wird. Ich glaube dem in seinem Herzen tief verborgenen unsichtbaren Worte, das er geben will und kann. Ich verlasse mich auf eine geheime Kraft in ihm, welche stärker ist als der Tod.
Sklaverey und Freyheit eines jeden insbeſondere ausmacht: das entſcheidet. Es entſcheidet und ſtehet da im Vermoͤgen — nicht des Syllogis- mus (welches man mit dem Vermoͤgen der Ei- nen Haͤlfte einer Scheere oder Zange vergleichen koͤnnte) — ſondern der Geſinnungen; im Vermoͤgen eines unveraͤnderlichen, uͤber alle Lei- denſchaften ſiegenden Affects. Wenn ich auf das Wort eines Namentlichen Mannes fuße, ſo bringe ich dabey ſeine reine Vernunft nicht mehr, als die Βewegung ſeiner Lippen und den Schall aus ſeinem Munde in Anſchlag. Ich traue dem Worte um des Mannes, und dem Manne um ſein ſelbſt willen. Was in ihm mich gewiß macht, iſt ſeine Sinnesart, ſein Geſchmack, ſein Gemuͤth und Charakter. Ich gruͤnde meinen Bund mit ihm auf den Bund, den er mit ſich ſelbſt hat, wodurch er iſt der er ſeyn wird. Ich glaube dem in ſeinem Herzen tief verborgenen unſichtbaren Worte, das er geben will und kann. Ich verlaſſe mich auf eine geheime Kraft in ihm, welche ſtaͤrker iſt als der Tod.
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Sklaverey und Freyheit eines jeden insbeſondere
ausmacht: das entſcheidet. Es entſcheidet und
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Vermoͤgen eines unveraͤnderlichen, uͤber alle Lei-
denſchaften ſiegenden Affects. Wenn ich auf
das Wort eines Namentlichen Mannes
fuße, ſo bringe ich dabey ſeine reine Vernunft
nicht mehr, als die Βewegung ſeiner Lippen
und den Schall aus ſeinem Munde in Anſchlag.
Ich traue dem Worte um des Mannes, und
dem Manne um ſein ſelbſt willen. Was in
ihm mich gewiß macht, iſt ſeine Sinnesart,
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Ich gruͤnde meinen Bund mit ihm auf den
Bund, den er mit ſich ſelbſt hat, wodurch er
iſt der er ſeyn wird. Ich glaube dem in ſeinem
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Worte, das er geben will und kann. Ich
verlaſſe mich auf eine geheime Kraft in ihm,
welche ſtaͤrker iſt als der Tod.
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/334>, abgerufen am 24.11.2024.
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