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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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Allwill! mir schaudert, wie ich Dich
manchmal beben -- vergehen sah; bis zur
Ohnmacht in Verwirrung über dem Absichtlo-
sen Worte eines Thoren, eines Kindes; über
dem Muthwillen eines Gassenbuben, den
Schmähreden eines Trunkenen.

Aber Sie haben wohl nunmehr dergleichen
Schwachheiten von sich abgeworfen. Aus ei-
nem Stücke Ihres Briefes, wo Sie die Zwey-
deutigkeit aller Tugenden zu erweisen trachten,
erhellet, daß Sie wenigstens mit großer Mühe
daran arbeiten. Ich will Sie nicht stören,
Eduard. Doch, zur Erholung, lassen Sie sich
erzählen, was ich gestern von ungefähr in
meinem ehrlichen Montaigne las, und dann
eine Anekdote, die ich weiß.

Der treuherzige Montaigne erzählt, daß
man ihn nie hätte vermögen können, für Kö-
nig
und Vaterland sogar, in etwas Schlech-
tes zu willigen. Er glaubte, wenn er einmal
sich selbst wäre untreu geworden, würde er

leicht

Allwill! mir ſchaudert, wie ich Dich
manchmal beben — vergehen ſah; bis zur
Ohnmacht in Verwirrung uͤber dem Abſichtlo-
ſen Worte eines Thoren, eines Kindes; uͤber
dem Muthwillen eines Gaſſenbuben, den
Schmaͤhreden eines Trunkenen.

Aber Sie haben wohl nunmehr dergleichen
Schwachheiten von ſich abgeworfen. Aus ei-
nem Stuͤcke Ihres Briefes, wo Sie die Zwey-
deutigkeit aller Tugenden zu erweiſen trachten,
erhellet, daß Sie wenigſtens mit großer Muͤhe
daran arbeiten. Ich will Sie nicht ſtoͤren,
Eduard. Doch, zur Erholung, laſſen Sie ſich
erzaͤhlen, was ich geſtern von ungefaͤhr in
meinem ehrlichen Montaigne las, und dann
eine Anekdote, die ich weiß.

Der treuherzige Montaigne erzaͤhlt, daß
man ihn nie haͤtte vermoͤgen koͤnnen, fuͤr Koͤ-
nig
und Vaterland ſogar, in etwas Schlech-
tes zu willigen. Er glaubte, wenn er einmal
ſich ſelbſt waͤre untreu geworden, wuͤrde er

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[272/0310] Allwill! mir ſchaudert, wie ich Dich manchmal beben — vergehen ſah; bis zur Ohnmacht in Verwirrung uͤber dem Abſichtlo- ſen Worte eines Thoren, eines Kindes; uͤber dem Muthwillen eines Gaſſenbuben, den Schmaͤhreden eines Trunkenen. Aber Sie haben wohl nunmehr dergleichen Schwachheiten von ſich abgeworfen. Aus ei- nem Stuͤcke Ihres Briefes, wo Sie die Zwey- deutigkeit aller Tugenden zu erweiſen trachten, erhellet, daß Sie wenigſtens mit großer Muͤhe daran arbeiten. Ich will Sie nicht ſtoͤren, Eduard. Doch, zur Erholung, laſſen Sie ſich erzaͤhlen, was ich geſtern von ungefaͤhr in meinem ehrlichen Montaigne las, und dann eine Anekdote, die ich weiß. Der treuherzige Montaigne erzaͤhlt, daß man ihn nie haͤtte vermoͤgen koͤnnen, fuͤr Koͤ- nig und Vaterland ſogar, in etwas Schlech- tes zu willigen. Er glaubte, wenn er einmal ſich ſelbſt waͤre untreu geworden, wuͤrde er leicht

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/310>, abgerufen am 24.11.2024.