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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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Vor einigen Monaten starb ein Greis,
mit Namen Wigand Erdig; der hatte aus
dem elenden Flecken D* eine ansehnliche Stadt
voll glücklicher Bürger gemacht. Ich glaube
nicht, daß er ausser seinem Gewerbe viel mehr
als seinen Katechismus wußte; aber sein Ge-
werbe verstand er gut, war an Ordnung,
Fleiß, Mäßigkeit -- an gesunde Vernunft
gewohnt, und so von Tag zu Tage klüger,
geschickter, emsiger und unternehmender gewor-
den. Nun legte er zu D* eine Tuchmanu-
factur an. Der Fortgang seines Unternehmens
litt unzählige Hindernisse; aber er war ein-
mahl im Gedränge, und mußte durch. Eine
Schwierigkeit nach der andern wurde überwun-
den; der Mann immer muthiger und weiser.
Wenige Jahre verstrichen, da waren fünfhun-
dert Familien in seinem Brodte. Der benach-
barte Bauer, um dieses zu schaffen, ver-
größerte sein Haus und machte öde Ländereyen
urbar; es wurden fruchtbare Bäume gepflanzt,
Gärten angelegt; die ganze Gegend füllte und
verschönerte sich. Endlich ward diesen Glück-

Vor einigen Monaten ſtarb ein Greis,
mit Namen Wigand Erdig; der hatte aus
dem elenden Flecken D* eine anſehnliche Stadt
voll gluͤcklicher Buͤrger gemacht. Ich glaube
nicht, daß er auſſer ſeinem Gewerbe viel mehr
als ſeinen Katechiſmus wußte; aber ſein Ge-
werbe verſtand er gut, war an Ordnung,
Fleiß, Maͤßigkeit — an geſunde Vernunft
gewohnt, und ſo von Tag zu Tage kluͤger,
geſchickter, emſiger und unternehmender gewor-
den. Nun legte er zu D* eine Tuchmanu-
factur an. Der Fortgang ſeines Unternehmens
litt unzaͤhlige Hinderniſſe; aber er war ein-
mahl im Gedraͤnge, und mußte durch. Eine
Schwierigkeit nach der andern wurde uͤberwun-
den; der Mann immer muthiger und weiſer.
Wenige Jahre verſtrichen, da waren fuͤnfhun-
dert Familien in ſeinem Brodte. Der benach-
barte Bauer, um dieſes zu ſchaffen, ver-
groͤßerte ſein Haus und machte oͤde Laͤndereyen
urbar; es wurden fruchtbare Baͤume gepflanzt,
Gaͤrten angelegt; die ganze Gegend fuͤllte und
verſchoͤnerte ſich. Endlich ward dieſen Gluͤck-

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[264/0302] Vor einigen Monaten ſtarb ein Greis, mit Namen Wigand Erdig; der hatte aus dem elenden Flecken D* eine anſehnliche Stadt voll gluͤcklicher Buͤrger gemacht. Ich glaube nicht, daß er auſſer ſeinem Gewerbe viel mehr als ſeinen Katechiſmus wußte; aber ſein Ge- werbe verſtand er gut, war an Ordnung, Fleiß, Maͤßigkeit — an geſunde Vernunft gewohnt, und ſo von Tag zu Tage kluͤger, geſchickter, emſiger und unternehmender gewor- den. Nun legte er zu D* eine Tuchmanu- factur an. Der Fortgang ſeines Unternehmens litt unzaͤhlige Hinderniſſe; aber er war ein- mahl im Gedraͤnge, und mußte durch. Eine Schwierigkeit nach der andern wurde uͤberwun- den; der Mann immer muthiger und weiſer. Wenige Jahre verſtrichen, da waren fuͤnfhun- dert Familien in ſeinem Brodte. Der benach- barte Bauer, um dieſes zu ſchaffen, ver- groͤßerte ſein Haus und machte oͤde Laͤndereyen urbar; es wurden fruchtbare Baͤume gepflanzt, Gaͤrten angelegt; die ganze Gegend fuͤllte und verſchoͤnerte ſich. Endlich ward dieſen Gluͤck-

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/302>, abgerufen am 24.11.2024.