Ihr jüngster Brief, mein theurer Freund und Lehrer, war mir beynah so viel werth, als eine persönliche Erscheinung. Was Sie für ein Zauberer sind! Als ich ihn gelesen hatte, diesen Brief, war ich -- nein, ich war nicht zwey Jahre jünger; nur die Zeit hatte sich um so viel verjüngt; Sie waren noch bey uns, und ich hatte Sie ganz rund da stehen, wie kurz vor unserer Trennung. Nun urtheilen Sie, wie mir das so wunderlich im Kopfe herumge- hen mußte, daß ich an Sie geschrieben hatte, und geschrieben hatte alles das, wovon Sie so lustig geworden waren, und daneben so hel- denwüthig. Meine herzliche Epistel an Sie wurde mir nun gerades Weges zur Posse; ich mußte lachen und erröthen.
Großer Mann, verzeihen Sie meine Unbe- sonnenheit: ich vergaß, daß Sie ein Held
XXI. Luzie an Eduard Allwill.
Ihr juͤngſter Brief, mein theurer Freund und Lehrer, war mir beynah ſo viel werth, als eine perſoͤnliche Erſcheinung. Was Sie fuͤr ein Zauberer ſind! Als ich ihn geleſen hatte, dieſen Brief, war ich — nein, ich war nicht zwey Jahre juͤnger; nur die Zeit hatte ſich um ſo viel verjuͤngt; Sie waren noch bey uns, und ich hatte Sie ganz rund da ſtehen, wie kurz vor unſerer Trennung. Nun urtheilen Sie, wie mir das ſo wunderlich im Kopfe herumge- hen mußte, daß ich an Sie geſchrieben hatte, und geſchrieben hatte alles das, wovon Sie ſo luſtig geworden waren, und daneben ſo hel- denwuͤthig. Meine herzliche Epiſtel an Sie wurde mir nun gerades Weges zur Poſſe; ich mußte lachen und erroͤthen.
Großer Mann, verzeihen Sie meine Unbe- ſonnenheit: ich vergaß, daß Sie ein Held
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XXI.
Luzie an Eduard Allwill.
Ihr juͤngſter Brief, mein theurer Freund
und Lehrer, war mir beynah ſo viel werth,
als eine perſoͤnliche Erſcheinung. Was Sie
fuͤr ein Zauberer ſind! Als ich ihn geleſen hatte,
dieſen Brief, war ich — nein, ich war nicht
zwey Jahre juͤnger; nur die Zeit hatte ſich um
ſo viel verjuͤngt; Sie waren noch bey uns, und
ich hatte Sie ganz rund da ſtehen, wie kurz
vor unſerer Trennung. Nun urtheilen Sie,
wie mir das ſo wunderlich im Kopfe herumge-
hen mußte, daß ich an Sie geſchrieben hatte,
und geſchrieben hatte alles das, wovon Sie ſo
luſtig geworden waren, und daneben ſo hel-
denwuͤthig. Meine herzliche Epiſtel an Sie
wurde mir nun gerades Weges zur Poſſe; ich
mußte lachen und erroͤthen.
Großer Mann, verzeihen Sie meine Unbe-
ſonnenheit: ich vergaß, daß Sie ein Held
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/284>, abgerufen am 26.11.2024.
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