mona; ichselbst, lebe wohl; bringe meinem Gemahl meinen letzten Gruß; o lebe wohl!" -- Othello ruft: "Sie ist als eine Lügne- rinn zur Hölle gefahren; ich wars, der sie ermordete." -- Aber, o gerechtester Gott! wer wollte nicht mit einer solchen Lüge im Munde den Geist aufgeben, und sich vor dei- nen Richterstuhl stellen?
Auch ist sogar schon das schwankend, was ich vorhin zum Behuf der Wahrhaftigkeit, der Unverstelltheit, der Offenherzigkeit vorbrachte; z. B., wir scheuen uns nicht selten eben so sehr das Unschuldige, das Ruhmwürdige sogar, zu offenbaren, als das Böse und Schändliche; und diese Schüchternheit zu über- winden, ist zuweilen Heldenmuth vonnöthen.
Das schöne Register eurer sogenannten Tugenden auf diese Weise durchgegangen; dann in dem Mischmasche sie betrachtet, wie ihr sie ganz und alle zusammen, durch einen chemischen Proceß so gern in unsre See-
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mona; ichſelbſt, lebe wohl; bringe meinem Gemahl meinen letzten Gruß; o lebe wohl!” — Othello ruft: „Sie iſt als eine Luͤgne- rinn zur Hoͤlle gefahren; ich wars, der ſie ermordete.” — Aber, o gerechteſter Gott! wer wollte nicht mit einer ſolchen Luͤge im Munde den Geiſt aufgeben, und ſich vor dei- nen Richterſtuhl ſtellen?
Auch iſt ſogar ſchon das ſchwankend, was ich vorhin zum Behuf der Wahrhaftigkeit, der Unverſtelltheit, der Offenherzigkeit vorbrachte; z. B., wir ſcheuen uns nicht ſelten eben ſo ſehr das Unſchuldige, das Ruhmwuͤrdige ſogar, zu offenbaren, als das Boͤſe und Schaͤndliche; und dieſe Schuͤchternheit zu uͤber- winden, iſt zuweilen Heldenmuth vonnoͤthen.
Das ſchoͤne Regiſter eurer ſogenannten Tugenden auf dieſe Weiſe durchgegangen; dann in dem Miſchmaſche ſie betrachtet, wie ihr ſie ganz und alle zuſammen, durch einen chemiſchen Proceß ſo gern in unſre See-
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mona; ichſelbſt, lebe wohl; bringe meinem
Gemahl meinen letzten Gruß; o lebe wohl!” —
Othello ruft: „Sie iſt als eine Luͤgne-
rinn zur Hoͤlle gefahren; ich wars, der ſie
ermordete.” — Aber, o gerechteſter Gott!
wer wollte nicht mit einer ſolchen Luͤge im
Munde den Geiſt aufgeben, und ſich vor dei-
nen Richterſtuhl ſtellen?
Auch iſt ſogar ſchon das ſchwankend, was
ich vorhin zum Behuf der Wahrhaftigkeit, der
Unverſtelltheit, der Offenherzigkeit vorbrachte;
z. B., wir ſcheuen uns nicht ſelten eben ſo ſehr
das Unſchuldige, das Ruhmwuͤrdige
ſogar, zu offenbaren, als das Boͤſe und
Schaͤndliche; und dieſe Schuͤchternheit zu uͤber-
winden, iſt zuweilen Heldenmuth vonnoͤthen.
Das ſchoͤne Regiſter eurer ſogenannten
Tugenden auf dieſe Weiſe durchgegangen;
dann in dem Miſchmaſche ſie betrachtet, wie
ihr ſie ganz und alle zuſammen, durch
einen chemiſchen Proceß ſo gern in unſre See-
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/279>, abgerufen am 25.11.2024.
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