Ich las bis an das Capitel von Allwill, womit ich heute mich nicht stören wollte; fieng dann wieder von vorn an -- und noch einmal; las immer langsamer, bis ich, unvermerkt, nicht mehr auf dem Blatte las, und doch noch immer las wie vom Blatte ... Meli, beste Meli! -- Sieh den hold lächelnden Engel da! Auf seiner besten Ruheseite liegt er; den Kopf sanft aufs Aermchen gestützt: er schläft! -- Meli! So hast Du mir gesungen, so, daß ein Schlummer der Genesung über mich gekommen ist. Sanft eingewiegt hast Du mein Herz: eine süße warme Fülle, die Fülle Deiner Liebe darauf gedeckt. Sie ist in meinem Herzen, diese Fülle Deiner Liebe, Deiner Unschuld, Deines Glaubens. Ja, stille ist es nun!
Durch den Vorhang hindurch glänzte mir jetzt der hochstehende Mond ins Auge. Da bist du ja wieder! dachte ich, und stand auf.
So helle und frey habe ich den Mond lan-
Ich las bis an das Capitel von Allwill, womit ich heute mich nicht ſtoͤren wollte; fieng dann wieder von vorn an — und noch einmal; las immer langſamer, bis ich, unvermerkt, nicht mehr auf dem Blatte las, und doch noch immer las wie vom Blatte … Meli, beſte Meli! — Sieh den hold laͤchelnden Engel da! Auf ſeiner beſten Ruheſeite liegt er; den Kopf ſanft aufs Aermchen geſtuͤtzt: er ſchlaͤft! — Meli! So haſt Du mir geſungen, ſo, daß ein Schlummer der Geneſung uͤber mich gekommen iſt. Sanft eingewiegt haſt Du mein Herz: eine ſuͤße warme Fuͤlle, die Fuͤlle Deiner Liebe darauf gedeckt. Sie iſt in meinem Herzen, dieſe Fuͤlle Deiner Liebe, Deiner Unſchuld, Deines Glaubens. Ja, ſtille iſt es nun!
Durch den Vorhang hindurch glaͤnzte mir jetzt der hochſtehende Mond ins Auge. Da biſt du ja wieder! dachte ich, und ſtand auf.
So helle und frey habe ich den Mond lan-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><div><pbfacs="#f0244"n="206"/><p>Ich las bis an das Capitel von Allwill,<lb/>
womit ich heute mich nicht ſtoͤren wollte; fieng<lb/>
dann wieder von vorn an — und noch einmal;<lb/>
las immer langſamer, bis ich, unvermerkt,<lb/>
nicht mehr auf dem Blatte las, und doch noch<lb/>
immer las wie vom Blatte …<hirendition="#g">Meli</hi>, beſte<lb/><hirendition="#g">Meli</hi>! — Sieh den hold laͤchelnden Engel da!<lb/>
Auf ſeiner beſten Ruheſeite liegt er; den Kopf<lb/>ſanft aufs Aermchen geſtuͤtzt: <hirendition="#g">er ſchlaͤft! —<lb/>
Meli</hi>! So haſt Du mir geſungen, ſo, daß ein<lb/>
Schlummer der Geneſung uͤber mich gekommen<lb/>
iſt. Sanft eingewiegt haſt Du mein Herz:<lb/>
eine ſuͤße warme Fuͤlle, die Fuͤlle Deiner Liebe<lb/>
darauf gedeckt. Sie iſt in meinem Herzen,<lb/>
dieſe Fuͤlle Deiner Liebe, Deiner Unſchuld,<lb/>
Deines Glaubens. Ja, ſtille iſt es nun!</p><lb/><p>Durch den Vorhang hindurch glaͤnzte mir<lb/>
jetzt der hochſtehende Mond ins Auge. <hirendition="#g">Da<lb/>
biſt du ja wieder</hi>! dachte ich, und ſtand<lb/>
auf.</p><lb/><p>So helle und frey habe ich den Mond lan-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[206/0244]
Ich las bis an das Capitel von Allwill,
womit ich heute mich nicht ſtoͤren wollte; fieng
dann wieder von vorn an — und noch einmal;
las immer langſamer, bis ich, unvermerkt,
nicht mehr auf dem Blatte las, und doch noch
immer las wie vom Blatte … Meli, beſte
Meli! — Sieh den hold laͤchelnden Engel da!
Auf ſeiner beſten Ruheſeite liegt er; den Kopf
ſanft aufs Aermchen geſtuͤtzt: er ſchlaͤft! —
Meli! So haſt Du mir geſungen, ſo, daß ein
Schlummer der Geneſung uͤber mich gekommen
iſt. Sanft eingewiegt haſt Du mein Herz:
eine ſuͤße warme Fuͤlle, die Fuͤlle Deiner Liebe
darauf gedeckt. Sie iſt in meinem Herzen,
dieſe Fuͤlle Deiner Liebe, Deiner Unſchuld,
Deines Glaubens. Ja, ſtille iſt es nun!
Durch den Vorhang hindurch glaͤnzte mir
jetzt der hochſtehende Mond ins Auge. Da
biſt du ja wieder! dachte ich, und ſtand
auf.
So helle und frey habe ich den Mond lan-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/244>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.