Es hatte sieben geschlagen, ehe wirs uns versahen. Der Arzt kam mit Verweisen über das zu lange Aufsitzen seiner Kranken. Wir brachten sie zur Ruhe, und ich blieb noch eine Stunde bey dem lieben Weibe auf dem Bette sitzen, mich beynah vergessend im süßen Ge- schwätze mit den drey Mädchen, die mich all- mählich ganz umklammert hatten. Unterdessen war die Mutter eingeschlummert. Wir schli- chen fort nach dem Saal, wo mein Mantel und mein Arbeitsbeutel lagen. Da sahen wir, hinter Wolken, den Mond gerade vor dem mitt- leren Fenster stehen. Waldbecks Saal hat eine entzückende Aussicht, besonders wegen der Do- nau, die nahe daran vorbeyfließt, und zur rechten Hand herunter kommt, so weit her, daß man nicht unterscheiden kann, von welcher Seite oben. Mit gleicher Bewegung flogen wir zum offen stehenden Fenster, und blieben da lange, lange. Ich sah den ziehenden Wölk-
heit, Unluſt, Wankelmuth und Selbſtver- achtung.
Es hatte ſieben geſchlagen, ehe wirs uns verſahen. Der Arzt kam mit Verweiſen uͤber das zu lange Aufſitzen ſeiner Kranken. Wir brachten ſie zur Ruhe, und ich blieb noch eine Stunde bey dem lieben Weibe auf dem Bette ſitzen, mich beynah vergeſſend im ſuͤßen Ge- ſchwaͤtze mit den drey Maͤdchen, die mich all- maͤhlich ganz umklammert hatten. Unterdeſſen war die Mutter eingeſchlummert. Wir ſchli- chen fort nach dem Saal, wo mein Mantel und mein Arbeitsbeutel lagen. Da ſahen wir, hinter Wolken, den Mond gerade vor dem mitt- leren Fenſter ſtehen. Waldbecks Saal hat eine entzuͤckende Ausſicht, beſonders wegen der Do- nau, die nahe daran vorbeyfließt, und zur rechten Hand herunter kommt, ſo weit her, daß man nicht unterſcheiden kann, von welcher Seite oben. Mit gleicher Bewegung flogen wir zum offen ſtehenden Fenſter, und blieben da lange, lange. Ich ſah den ziehenden Woͤlk-
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heit, Unluſt, Wankelmuth und Selbſtver-
achtung.
Es hatte ſieben geſchlagen, ehe wirs uns
verſahen. Der Arzt kam mit Verweiſen uͤber
das zu lange Aufſitzen ſeiner Kranken. Wir
brachten ſie zur Ruhe, und ich blieb noch eine
Stunde bey dem lieben Weibe auf dem Bette
ſitzen, mich beynah vergeſſend im ſuͤßen Ge-
ſchwaͤtze mit den drey Maͤdchen, die mich all-
maͤhlich ganz umklammert hatten. Unterdeſſen
war die Mutter eingeſchlummert. Wir ſchli-
chen fort nach dem Saal, wo mein Mantel
und mein Arbeitsbeutel lagen. Da ſahen wir,
hinter Wolken, den Mond gerade vor dem mitt-
leren Fenſter ſtehen. Waldbecks Saal hat eine
entzuͤckende Ausſicht, beſonders wegen der Do-
nau, die nahe daran vorbeyfließt, und zur
rechten Hand herunter kommt, ſo weit her,
daß man nicht unterſcheiden kann, von welcher
Seite oben. Mit gleicher Bewegung flogen
wir zum offen ſtehenden Fenſter, und blieben
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/242>, abgerufen am 25.11.2024.
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