sein Dichten, als eines blos Vernünftigen, wird gegen die beflügelten Sprüche des Be- geisterten wie nichts seyn. Siehe jenen an- dern, der auf menschliche Besonnenheit ge- gründet, blos sterbliche und kärgliche Vortheile und Dienstleistungen zur Absicht hat; er wu- chert mit lauter unedlen Gesinnungen; hat und erzeugt keine Tugend, obgleich der ge- meine Haufen ihm das Lob der Weisheit und der Tugend ohne Maaß ertheilt, und hinge- gen den von Gott begeisterten, der nur, in dem was Göttlich ist, zu leben strebt, und, im Verlangen nach diesem Höheren alles Ir- dische zu klein findet, als einen Schwärmer, als einen Unsinnigen und Rasenden ver- spottet.
"Worte können nur an schon bekanntes erinnern; und alles ist todtes Wort und sinn- loser Buchstabe, ohne den Geist der Deu- tung, der in unmittelbarer Anschauung und Erkenntniß sein Wesen hat, und der alleinige Geist der Wahrheit ist: unzuverläßig den
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ſein Dichten, als eines blos Vernuͤnftigen, wird gegen die befluͤgelten Spruͤche des Be- geiſterten wie nichts ſeyn. Siehe jenen an- dern, der auf menſchliche Beſonnenheit ge- gruͤndet, blos ſterbliche und kaͤrgliche Vortheile und Dienſtleiſtungen zur Abſicht hat; er wu- chert mit lauter unedlen Geſinnungen; hat und erzeugt keine Tugend, obgleich der ge- meine Haufen ihm das Lob der Weisheit und der Tugend ohne Maaß ertheilt, und hinge- gen den von Gott begeiſterten, der nur, in dem was Goͤttlich iſt, zu leben ſtrebt, und, im Verlangen nach dieſem Hoͤheren alles Ir- diſche zu klein findet, als einen Schwaͤrmer, als einen Unſinnigen und Raſenden ver- ſpottet.
„Worte koͤnnen nur an ſchon bekanntes erinnern; und alles iſt todtes Wort und ſinn- loſer Buchſtabe, ohne den Geiſt der Deu- tung, der in unmittelbarer Anſchauung und Erkenntniß ſein Weſen hat, und der alleinige Geiſt der Wahrheit iſt: unzuverlaͤßig den
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ſein Dichten, als eines blos Vernuͤnftigen,
wird gegen die befluͤgelten Spruͤche des Be-
geiſterten wie nichts ſeyn. Siehe jenen an-
dern, der auf menſchliche Beſonnenheit ge-
gruͤndet, blos ſterbliche und kaͤrgliche Vortheile
und Dienſtleiſtungen zur Abſicht hat; er wu-
chert mit lauter unedlen Geſinnungen; hat
und erzeugt keine Tugend, obgleich der ge-
meine Haufen ihm das Lob der Weisheit und
der Tugend ohne Maaß ertheilt, und hinge-
gen den von Gott begeiſterten, der nur, in
dem was Goͤttlich iſt, zu leben ſtrebt, und,
im Verlangen nach dieſem Hoͤheren alles Ir-
diſche zu klein findet, als einen Schwaͤrmer,
als einen Unſinnigen und Raſenden ver-
ſpottet.
„Worte koͤnnen nur an ſchon bekanntes
erinnern; und alles iſt todtes Wort und ſinn-
loſer Buchſtabe, ohne den Geiſt der Deu-
tung, der in unmittelbarer Anſchauung und
Erkenntniß ſein Weſen hat, und der alleinige
Geiſt der Wahrheit iſt: unzuverlaͤßig den
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/217>, abgerufen am 24.11.2024.
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