Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

greifende Theil sey, und uns in einem wohl
hergebrachten Besitze mit seinen Anmaßungen
zu stören unternehme.

Wir bekennen, setzte Allwill hinzu, frey
und ungedrungen, daß wir nicht begreifen, wie
es zugehe, daß wir, vermöge einer bloßen
Rührung und Bewegung unserer Empfindungs-
werkzeuge, nicht allein empfinden, sondern
auch Etwas empfinden; etwas von uns
ganz verschiedenes gewahr werden, und
wahrnehmen; daß wir am allerwenigsten
begreifen, wie wir uns selbst, und was zu
unserem inneren Zustande gehört, unterschei-
den und uns vorstellen können, auf eine
von aller Empfindung ganz verschiedene Weise.
Aber es däucht uns weit zuverläßiger, uns
hier auf einen ursprünglichen Instinkt, mit dem
alle Erkenntniß der Wahrheit anfängt, zu
berufen, als jenes Unbegreiflichen wegen zu
behaupten: die Seele könne empfinden, und
auf eine unendliche mannichfaltige Weise vor-
stellen -- nicht sich selbst, noch auch an-

K 2

greifende Theil ſey, und uns in einem wohl
hergebrachten Beſitze mit ſeinen Anmaßungen
zu ſtoͤren unternehme.

Wir bekennen, ſetzte Allwill hinzu, frey
und ungedrungen, daß wir nicht begreifen, wie
es zugehe, daß wir, vermoͤge einer bloßen
Ruͤhrung und Bewegung unſerer Empfindungs-
werkzeuge, nicht allein empfinden, ſondern
auch Etwas empfinden; etwas von uns
ganz verſchiedenes gewahr werden, und
wahrnehmen; daß wir am allerwenigſten
begreifen, wie wir uns ſelbſt, und was zu
unſerem inneren Zuſtande gehoͤrt, unterſchei-
den und uns vorſtellen koͤnnen, auf eine
von aller Empfindung ganz verſchiedene Weiſe.
Aber es daͤucht uns weit zuverlaͤßiger, uns
hier auf einen urſpruͤnglichen Inſtinkt, mit dem
alle Erkenntniß der Wahrheit anfaͤngt, zu
berufen, als jenes Unbegreiflichen wegen zu
behaupten: die Seele koͤnne empfinden, und
auf eine unendliche mannichfaltige Weiſe vor-
ſtellen — nicht ſich ſelbſt, noch auch an-

K 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div>
            <p><pb facs="#f0185" n="147"/>
greifende Theil &#x017F;ey, und uns in einem wohl<lb/>
hergebrachten Be&#x017F;itze mit &#x017F;einen Anmaßungen<lb/>
zu &#x017F;to&#x0364;ren unternehme.</p><lb/>
            <p>Wir bekennen, &#x017F;etzte Allwill hinzu, frey<lb/>
und ungedrungen, daß wir nicht begreifen, wie<lb/>
es zugehe, daß wir, vermo&#x0364;ge einer bloßen<lb/>
Ru&#x0364;hrung und Bewegung un&#x017F;erer Empfindungs-<lb/>
werkzeuge, nicht allein <hi rendition="#g">empfinden</hi>, &#x017F;ondern<lb/>
auch <hi rendition="#g">Etwas</hi> empfinden; etwas von uns<lb/>
ganz <hi rendition="#g">ver&#x017F;chiedenes</hi> gewahr werden, und<lb/><hi rendition="#g">wahrnehmen</hi>; daß wir am allerwenig&#x017F;ten<lb/>
begreifen, wie wir uns &#x017F;elb&#x017F;t, und was zu<lb/>
un&#x017F;erem inneren Zu&#x017F;tande geho&#x0364;rt, unter&#x017F;chei-<lb/>
den und uns <hi rendition="#g">vor&#x017F;tellen</hi> ko&#x0364;nnen, auf eine<lb/>
von aller Empfindung ganz ver&#x017F;chiedene Wei&#x017F;e.<lb/>
Aber es da&#x0364;ucht uns weit zuverla&#x0364;ßiger, uns<lb/>
hier auf einen ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen In&#x017F;tinkt, mit dem<lb/>
alle Erkenntniß der Wahrheit <hi rendition="#g">anfa&#x0364;ngt</hi>, zu<lb/>
berufen, als jenes Unbegreiflichen wegen zu<lb/>
behaupten: die Seele ko&#x0364;nne empfinden, und<lb/>
auf eine unendliche mannichfaltige Wei&#x017F;e <hi rendition="#g">vor-<lb/>
&#x017F;tellen &#x2014; nicht</hi> &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, noch auch an-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 2</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0185] greifende Theil ſey, und uns in einem wohl hergebrachten Beſitze mit ſeinen Anmaßungen zu ſtoͤren unternehme. Wir bekennen, ſetzte Allwill hinzu, frey und ungedrungen, daß wir nicht begreifen, wie es zugehe, daß wir, vermoͤge einer bloßen Ruͤhrung und Bewegung unſerer Empfindungs- werkzeuge, nicht allein empfinden, ſondern auch Etwas empfinden; etwas von uns ganz verſchiedenes gewahr werden, und wahrnehmen; daß wir am allerwenigſten begreifen, wie wir uns ſelbſt, und was zu unſerem inneren Zuſtande gehoͤrt, unterſchei- den und uns vorſtellen koͤnnen, auf eine von aller Empfindung ganz verſchiedene Weiſe. Aber es daͤucht uns weit zuverlaͤßiger, uns hier auf einen urſpruͤnglichen Inſtinkt, mit dem alle Erkenntniß der Wahrheit anfaͤngt, zu berufen, als jenes Unbegreiflichen wegen zu behaupten: die Seele koͤnne empfinden, und auf eine unendliche mannichfaltige Weiſe vor- ſtellen — nicht ſich ſelbſt, noch auch an- K 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/185
Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/185>, abgerufen am 22.11.2024.