Sieh das wohlgemuthe Weib, wie die Befrie- digung ihrer reinen Triebe alle ihre Wünsche vollendet; sie von allen andern Begierden so los macht, und ihr theilnehmendes Herz sich nun so frey und allgemein ergießen kann. -- Ihr prächtigen Weltweisen, ihr lieblichen Her- ren und Damen, mit euren erhabenen Grund- sätzen und schönen Sentiments! sagt, wie wird euch? -- wie besteht ihr vor dieser Haus- frau? Da verschleudert, da verpufft ihr eure Seele in die weite Welt; seyd überall, und nirgend; euer unbefangenes, richtungsloses Herz -- jedem Anfalle blos; ohne Drang und ohne Ruhe, ohne Genuß und Gabe; strebend nach allem, hangend an allem; zu keinem Opfer willig, bey keinem Unfall leicht -- be- bend durchaus bis in die kleinste Faser -- schwach, elend, zehrend -- voll allgemei- nen Wohlwollens!
Weg von diesen Allumfassern, hinab zu Amaliens Schemel, zu der Kurzsichtigen, zu der Armseligen, die nur ihren Mann liebt
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Sieh das wohlgemuthe Weib, wie die Befrie- digung ihrer reinen Triebe alle ihre Wuͤnſche vollendet; ſie von allen andern Begierden ſo los macht, und ihr theilnehmendes Herz ſich nun ſo frey und allgemein ergießen kann. — Ihr praͤchtigen Weltweiſen, ihr lieblichen Her- ren und Damen, mit euren erhabenen Grund- ſaͤtzen und ſchoͤnen Sentiments! ſagt, wie wird euch? — wie beſteht ihr vor dieſer Haus- frau? Da verſchleudert, da verpufft ihr eure Seele in die weite Welt; ſeyd uͤberall, und nirgend; euer unbefangenes, richtungsloſes Herz — jedem Anfalle blos; ohne Drang und ohne Ruhe, ohne Genuß und Gabe; ſtrebend nach allem, hangend an allem; zu keinem Opfer willig, bey keinem Unfall leicht — be- bend durchaus bis in die kleinſte Faſer — ſchwach, elend, zehrend — voll allgemei- nen Wohlwollens!
Weg von dieſen Allumfaſſern, hinab zu Amaliens Schemel, zu der Kurzſichtigen, zu der Armſeligen, die nur ihren Mann liebt
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Sieh das wohlgemuthe Weib, wie die Befrie-
digung ihrer reinen Triebe alle ihre Wuͤnſche
vollendet; ſie von allen andern Begierden ſo
los macht, und ihr theilnehmendes Herz ſich
nun ſo frey und allgemein ergießen kann. —
Ihr praͤchtigen Weltweiſen, ihr lieblichen Her-
ren und Damen, mit euren erhabenen Grund-
ſaͤtzen und ſchoͤnen Sentiments! ſagt, wie
wird euch? — wie beſteht ihr vor dieſer Haus-
frau? Da verſchleudert, da verpufft ihr eure
Seele in die weite Welt; ſeyd uͤberall, und
nirgend; euer unbefangenes, richtungsloſes
Herz — jedem Anfalle blos; ohne Drang und
ohne Ruhe, ohne Genuß und Gabe; ſtrebend
nach allem, hangend an allem; zu keinem
Opfer willig, bey keinem Unfall leicht — be-
bend durchaus bis in die kleinſte Faſer —
ſchwach, elend, zehrend — voll allgemei-
nen Wohlwollens!
Weg von dieſen Allumfaſſern, hinab zu
Amaliens Schemel, zu der Kurzſichtigen,
zu der Armſeligen, die nur ihren Mann liebt
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/119>, abgerufen am 24.11.2024.
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