Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

gern mehr Freude an mir selbst, und die er-
hielte ich zuverläßig, wenn ich Dir ähnlicher
würde. Mich dünkt -- was Amalia jüngst
vom kleinen Heinrich sagte -- jeder Dei-
ner Küsse müßte mir etwas von Deinem holden
Wesen einhauchen.

Clerdon schickt: ich soll zusiegeln. Also
bekommst Du nichts von Amalia. Die Gme
hat sich wohl nicht überwinden können, unsere
Frau von Reinach allein zu lassen. Ein wun-
derbares Weib! So jung, so sprudelnd von
Leben, und doch von allem was nur einer
Schuldigkeit ähnlich sieht, so völlig hingerissen,
als andre von ihren Leidenschaften. Wir fah-
ren fort uns oft Vorwürfe darüber zu machen,
daß wir ihre immerwährenden Aufopferungen
zulassen; aber es ist als wenn die Gottlose
mit Fleiß einen gleich wieder verstockte. Ich
sage tausendmal: böte sie einem Mägdedienste
an, man dächte kaum daran sich zu wider-
setzen; so lieb und schicklich geht ihr alles ab.
Und hüten kann sich einer nie genug vor ihr;

gern mehr Freude an mir ſelbſt, und die er-
hielte ich zuverlaͤßig, wenn ich Dir aͤhnlicher
wuͤrde. Mich duͤnkt — was Amalia juͤngſt
vom kleinen Heinrich ſagte — jeder Dei-
ner Kuͤſſe muͤßte mir etwas von Deinem holden
Weſen einhauchen.

Clerdon ſchickt: ich ſoll zuſiegeln. Alſo
bekommſt Du nichts von Amalia. Die Gme
hat ſich wohl nicht uͤberwinden koͤnnen, unſere
Frau von Reinach allein zu laſſen. Ein wun-
derbares Weib! So jung, ſo ſprudelnd von
Leben, und doch von allem was nur einer
Schuldigkeit aͤhnlich ſieht, ſo voͤllig hingeriſſen,
als andre von ihren Leidenſchaften. Wir fah-
ren fort uns oft Vorwuͤrfe daruͤber zu machen,
daß wir ihre immerwaͤhrenden Aufopferungen
zulaſſen; aber es iſt als wenn die Gottloſe
mit Fleiß einen gleich wieder verſtockte. Ich
ſage tauſendmal: boͤte ſie einem Maͤgdedienſte
an, man daͤchte kaum daran ſich zu wider-
ſetzen; ſo lieb und ſchicklich geht ihr alles ab.
Und huͤten kann ſich einer nie genug vor ihr;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0104" n="66"/>
gern mehr Freude an mir &#x017F;elb&#x017F;t, und die er-<lb/>
hielte ich zuverla&#x0364;ßig, wenn ich Dir a&#x0364;hnlicher<lb/>
wu&#x0364;rde. Mich du&#x0364;nkt &#x2014; was Amalia ju&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
vom <hi rendition="#g">kleinen Heinrich</hi> &#x017F;agte &#x2014; jeder Dei-<lb/>
ner Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e mu&#x0364;ßte mir etwas von Deinem holden<lb/>
We&#x017F;en einhauchen.</p><lb/>
            <p>Clerdon &#x017F;chickt: ich &#x017F;oll zu&#x017F;iegeln. Al&#x017F;o<lb/>
bekomm&#x017F;t Du nichts von <hi rendition="#g">Amalia</hi>. Die Gme<lb/>
hat &#x017F;ich wohl nicht u&#x0364;berwinden ko&#x0364;nnen, un&#x017F;ere<lb/>
Frau von Reinach allein zu la&#x017F;&#x017F;en. Ein wun-<lb/>
derbares Weib! So jung, &#x017F;o &#x017F;prudelnd von<lb/>
Leben, und doch von allem was nur einer<lb/>
Schuldigkeit a&#x0364;hnlich &#x017F;ieht, &#x017F;o vo&#x0364;llig hingeri&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
als andre von ihren Leiden&#x017F;chaften. Wir fah-<lb/>
ren fort uns oft Vorwu&#x0364;rfe daru&#x0364;ber zu machen,<lb/>
daß wir ihre immerwa&#x0364;hrenden Aufopferungen<lb/>
zula&#x017F;&#x017F;en; aber es i&#x017F;t als wenn die Gottlo&#x017F;e<lb/>
mit Fleiß einen gleich wieder ver&#x017F;tockte. Ich<lb/>
&#x017F;age tau&#x017F;endmal: bo&#x0364;te &#x017F;ie einem Ma&#x0364;gdedien&#x017F;te<lb/>
an, man da&#x0364;chte kaum daran &#x017F;ich zu wider-<lb/>
&#x017F;etzen; &#x017F;o lieb und &#x017F;chicklich geht ihr alles ab.<lb/>
Und hu&#x0364;ten kann &#x017F;ich einer nie genug vor ihr;<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0104] gern mehr Freude an mir ſelbſt, und die er- hielte ich zuverlaͤßig, wenn ich Dir aͤhnlicher wuͤrde. Mich duͤnkt — was Amalia juͤngſt vom kleinen Heinrich ſagte — jeder Dei- ner Kuͤſſe muͤßte mir etwas von Deinem holden Weſen einhauchen. Clerdon ſchickt: ich ſoll zuſiegeln. Alſo bekommſt Du nichts von Amalia. Die Gme hat ſich wohl nicht uͤberwinden koͤnnen, unſere Frau von Reinach allein zu laſſen. Ein wun- derbares Weib! So jung, ſo ſprudelnd von Leben, und doch von allem was nur einer Schuldigkeit aͤhnlich ſieht, ſo voͤllig hingeriſſen, als andre von ihren Leidenſchaften. Wir fah- ren fort uns oft Vorwuͤrfe daruͤber zu machen, daß wir ihre immerwaͤhrenden Aufopferungen zulaſſen; aber es iſt als wenn die Gottloſe mit Fleiß einen gleich wieder verſtockte. Ich ſage tauſendmal: boͤte ſie einem Maͤgdedienſte an, man daͤchte kaum daran ſich zu wider- ſetzen; ſo lieb und ſchicklich geht ihr alles ab. Und huͤten kann ſich einer nie genug vor ihr;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/104
Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/104>, abgerufen am 23.11.2024.