ich an ihrer Seite daheime werden in meinem Herzen, daheim und selig zu Hause seyn bei mir, und jedes Winkelchen kennen lernen, darin lieblich Geräthe steht und Krüge würzig duften voll sanf- ten Weines und Oeles, und muß nun doch wieder mich selber draußen suchen gehen! Aber die Braut des Grafen Waldburg darf nicht --
Er that die Thüre des Zimmers mit dem ge- waltigsten Herzpochen auf. "Sie" wollte er sie nennen und zu ihr sagen, daß er komme, um von ihr Abschied zu nehmen, sie solle ihn aber nicht fragen, was sich so plötzlich zwischen sie Beide ge- drängt habe. Mit diesen Gedanken trat er in das Stübchen, vernichtet fast von dem bevorstehen- den Augenblicke und als er sie nicht fand, da -- rief er: Sie ist nicht hier! mit eben dem Ent- zücken, mit welchem er gestern die verschlossene Thüre der Dorfkirche begrüßt hatte. Denn nun hatte er sie ja noch, vielleicht zwei, vielleicht gar drei Minuten, bis sie wieder in das Zimmer trat.
Er setzte sich am Bette nieder und streichelte die Decke, als streichle er ihre Hand. Dann schob er die Hand unter die Decke am Fußende, wo er ihre Nachtkleider vermuthete, und da gerieth
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ich an ihrer Seite daheime werden in meinem Herzen, daheim und ſelig zu Hauſe ſeyn bei mir, und jedes Winkelchen kennen lernen, darin lieblich Geräthe ſteht und Krüge würzig duften voll ſanf- ten Weines und Oeles, und muß nun doch wieder mich ſelber draußen ſuchen gehen! Aber die Braut des Grafen Waldburg darf nicht —
Er that die Thüre des Zimmers mit dem ge- waltigſten Herzpochen auf. „Sie“ wollte er ſie nennen und zu ihr ſagen, daß er komme, um von ihr Abſchied zu nehmen, ſie ſolle ihn aber nicht fragen, was ſich ſo plötzlich zwiſchen ſie Beide ge- drängt habe. Mit dieſen Gedanken trat er in das Stübchen, vernichtet faſt von dem bevorſtehen- den Augenblicke und als er ſie nicht fand, da — rief er: Sie iſt nicht hier! mit eben dem Ent- zücken, mit welchem er geſtern die verſchloſſene Thüre der Dorfkirche begrüßt hatte. Denn nun hatte er ſie ja noch, vielleicht zwei, vielleicht gar drei Minuten, bis ſie wieder in das Zimmer trat.
Er ſetzte ſich am Bette nieder und ſtreichelte die Decke, als ſtreichle er ihre Hand. Dann ſchob er die Hand unter die Decke am Fußende, wo er ihre Nachtkleider vermuthete, und da gerieth
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[83/0095]
ich an ihrer Seite daheime werden in meinem
Herzen, daheim und ſelig zu Hauſe ſeyn bei mir,
und jedes Winkelchen kennen lernen, darin lieblich
Geräthe ſteht und Krüge würzig duften voll ſanf-
ten Weines und Oeles, und muß nun doch wieder
mich ſelber draußen ſuchen gehen! Aber die Braut
des Grafen Waldburg darf nicht —
Er that die Thüre des Zimmers mit dem ge-
waltigſten Herzpochen auf. „Sie“ wollte er ſie
nennen und zu ihr ſagen, daß er komme, um von
ihr Abſchied zu nehmen, ſie ſolle ihn aber nicht
fragen, was ſich ſo plötzlich zwiſchen ſie Beide ge-
drängt habe. Mit dieſen Gedanken trat er in
das Stübchen, vernichtet faſt von dem bevorſtehen-
den Augenblicke und als er ſie nicht fand, da —
rief er: Sie iſt nicht hier! mit eben dem Ent-
zücken, mit welchem er geſtern die verſchloſſene
Thüre der Dorfkirche begrüßt hatte. Denn nun
hatte er ſie ja noch, vielleicht zwei, vielleicht gar
drei Minuten, bis ſie wieder in das Zimmer trat.
Er ſetzte ſich am Bette nieder und ſtreichelte
die Decke, als ſtreichle er ihre Hand. Dann
ſchob er die Hand unter die Decke am Fußende,
wo er ihre Nachtkleider vermuthete, und da gerieth
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/95>, abgerufen am 22.11.2024.
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