Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

knäuel des Lebens, über den plumpen Spaß des
Daseyns, welcher oft Spülicht und die Blume des
Weines zusammenmischt, saß ihm am Herzen.
Immer kränker fühlte sich dieses Herz. Noch hin-
gen die Locken des Jünglings verwirrt vor seinem
Antlitz, um welches zuweilen eine fliegende Röthe
ergossen war, und seine Augen sprangen unstät
zwischen den Gegenständen hin und her, ohne einen
derselben mit ihren Blicken zu treffen. Er schritt
an den Leuten vorüber, die im Flur waren und
an dem Hofschulzen, ohne Jemand zu grüßen.

Sein Herz war voll von Gram aber auch voll
von Entschluß. Zu Lisbeth ging er, zu der Lisbeth,
welche ihn gestern mit dem Wiesenkrönchen als
ihren König und Herrn gekrönt hatte, und die er
nun der süßen Dienstbarkeit entlassen wollte. Denn
ihr Bild war ihm besudelt worden; freilich ohne
Schuld der Unschuldigsten. Aber ist das Liebes-
gefühl, stark wie der Tod, nicht auch verletzlich,
gleich den Hörnern der Schnecke? -- Es muß mir
das nicht bei ihr einfallen, hatte Oswald unauf-
hörlich auf dem Wege zu sich gesagt. -- Sie wird
zwar unglücklich, aber werde ich's nicht auch?
Nicht tief, tief unglücklich? -- Ach, wie wollte

knäuel des Lebens, über den plumpen Spaß des
Daſeyns, welcher oft Spülicht und die Blume des
Weines zuſammenmiſcht, ſaß ihm am Herzen.
Immer kränker fühlte ſich dieſes Herz. Noch hin-
gen die Locken des Jünglings verwirrt vor ſeinem
Antlitz, um welches zuweilen eine fliegende Röthe
ergoſſen war, und ſeine Augen ſprangen unſtät
zwiſchen den Gegenſtänden hin und her, ohne einen
derſelben mit ihren Blicken zu treffen. Er ſchritt
an den Leuten vorüber, die im Flur waren und
an dem Hofſchulzen, ohne Jemand zu grüßen.

Sein Herz war voll von Gram aber auch voll
von Entſchluß. Zu Lisbeth ging er, zu der Lisbeth,
welche ihn geſtern mit dem Wieſenkrönchen als
ihren König und Herrn gekrönt hatte, und die er
nun der ſüßen Dienſtbarkeit entlaſſen wollte. Denn
ihr Bild war ihm beſudelt worden; freilich ohne
Schuld der Unſchuldigſten. Aber iſt das Liebes-
gefühl, ſtark wie der Tod, nicht auch verletzlich,
gleich den Hörnern der Schnecke? — Es muß mir
das nicht bei ihr einfallen, hatte Oswald unauf-
hörlich auf dem Wege zu ſich geſagt. — Sie wird
zwar unglücklich, aber werde ich’s nicht auch?
Nicht tief, tief unglücklich? — Ach, wie wollte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0094" n="82"/>
knäuel des Lebens, über den plumpen Spaß des<lb/>
Da&#x017F;eyns, welcher oft Spülicht und die Blume des<lb/>
Weines zu&#x017F;ammenmi&#x017F;cht, &#x017F;aß ihm am Herzen.<lb/>
Immer kränker fühlte &#x017F;ich die&#x017F;es Herz. Noch hin-<lb/>
gen die Locken des Jünglings verwirrt vor &#x017F;einem<lb/>
Antlitz, um welches zuweilen eine fliegende Röthe<lb/>
ergo&#x017F;&#x017F;en war, und &#x017F;eine Augen &#x017F;prangen un&#x017F;tät<lb/>
zwi&#x017F;chen den Gegen&#x017F;tänden hin und her, ohne einen<lb/>
der&#x017F;elben mit ihren Blicken zu treffen. Er &#x017F;chritt<lb/>
an den Leuten vorüber, die im Flur waren und<lb/>
an dem Hof&#x017F;chulzen, ohne Jemand zu grüßen.</p><lb/>
          <p>Sein Herz war voll von Gram aber auch voll<lb/>
von Ent&#x017F;chluß. Zu Lisbeth ging er, zu <hi rendition="#g">der</hi> Lisbeth,<lb/>
welche ihn ge&#x017F;tern mit dem Wie&#x017F;enkrönchen als<lb/>
ihren König und Herrn gekrönt hatte, und die er<lb/>
nun der &#x017F;üßen Dien&#x017F;tbarkeit entla&#x017F;&#x017F;en wollte. Denn<lb/>
ihr Bild war ihm be&#x017F;udelt worden; freilich ohne<lb/>
Schuld der Un&#x017F;chuldig&#x017F;ten. Aber i&#x017F;t das Liebes-<lb/>
gefühl, &#x017F;tark wie der Tod, nicht auch verletzlich,<lb/>
gleich den Hörnern der Schnecke? &#x2014; Es muß mir<lb/><hi rendition="#g">das</hi> nicht bei ihr einfallen, hatte Oswald unauf-<lb/>
hörlich auf dem Wege zu &#x017F;ich ge&#x017F;agt. &#x2014; Sie wird<lb/>
zwar unglücklich, aber werde ich&#x2019;s nicht auch?<lb/>
Nicht tief, tief unglücklich? &#x2014; Ach, wie wollte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0094] knäuel des Lebens, über den plumpen Spaß des Daſeyns, welcher oft Spülicht und die Blume des Weines zuſammenmiſcht, ſaß ihm am Herzen. Immer kränker fühlte ſich dieſes Herz. Noch hin- gen die Locken des Jünglings verwirrt vor ſeinem Antlitz, um welches zuweilen eine fliegende Röthe ergoſſen war, und ſeine Augen ſprangen unſtät zwiſchen den Gegenſtänden hin und her, ohne einen derſelben mit ihren Blicken zu treffen. Er ſchritt an den Leuten vorüber, die im Flur waren und an dem Hofſchulzen, ohne Jemand zu grüßen. Sein Herz war voll von Gram aber auch voll von Entſchluß. Zu Lisbeth ging er, zu der Lisbeth, welche ihn geſtern mit dem Wieſenkrönchen als ihren König und Herrn gekrönt hatte, und die er nun der ſüßen Dienſtbarkeit entlaſſen wollte. Denn ihr Bild war ihm beſudelt worden; freilich ohne Schuld der Unſchuldigſten. Aber iſt das Liebes- gefühl, ſtark wie der Tod, nicht auch verletzlich, gleich den Hörnern der Schnecke? — Es muß mir das nicht bei ihr einfallen, hatte Oswald unauf- hörlich auf dem Wege zu ſich geſagt. — Sie wird zwar unglücklich, aber werde ich’s nicht auch? Nicht tief, tief unglücklich? — Ach, wie wollte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/94
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/94>, abgerufen am 24.11.2024.