knäuel des Lebens, über den plumpen Spaß des Daseyns, welcher oft Spülicht und die Blume des Weines zusammenmischt, saß ihm am Herzen. Immer kränker fühlte sich dieses Herz. Noch hin- gen die Locken des Jünglings verwirrt vor seinem Antlitz, um welches zuweilen eine fliegende Röthe ergossen war, und seine Augen sprangen unstät zwischen den Gegenständen hin und her, ohne einen derselben mit ihren Blicken zu treffen. Er schritt an den Leuten vorüber, die im Flur waren und an dem Hofschulzen, ohne Jemand zu grüßen.
Sein Herz war voll von Gram aber auch voll von Entschluß. Zu Lisbeth ging er, zu der Lisbeth, welche ihn gestern mit dem Wiesenkrönchen als ihren König und Herrn gekrönt hatte, und die er nun der süßen Dienstbarkeit entlassen wollte. Denn ihr Bild war ihm besudelt worden; freilich ohne Schuld der Unschuldigsten. Aber ist das Liebes- gefühl, stark wie der Tod, nicht auch verletzlich, gleich den Hörnern der Schnecke? -- Es muß mir das nicht bei ihr einfallen, hatte Oswald unauf- hörlich auf dem Wege zu sich gesagt. -- Sie wird zwar unglücklich, aber werde ich's nicht auch? Nicht tief, tief unglücklich? -- Ach, wie wollte
knäuel des Lebens, über den plumpen Spaß des Daſeyns, welcher oft Spülicht und die Blume des Weines zuſammenmiſcht, ſaß ihm am Herzen. Immer kränker fühlte ſich dieſes Herz. Noch hin- gen die Locken des Jünglings verwirrt vor ſeinem Antlitz, um welches zuweilen eine fliegende Röthe ergoſſen war, und ſeine Augen ſprangen unſtät zwiſchen den Gegenſtänden hin und her, ohne einen derſelben mit ihren Blicken zu treffen. Er ſchritt an den Leuten vorüber, die im Flur waren und an dem Hofſchulzen, ohne Jemand zu grüßen.
Sein Herz war voll von Gram aber auch voll von Entſchluß. Zu Lisbeth ging er, zu der Lisbeth, welche ihn geſtern mit dem Wieſenkrönchen als ihren König und Herrn gekrönt hatte, und die er nun der ſüßen Dienſtbarkeit entlaſſen wollte. Denn ihr Bild war ihm beſudelt worden; freilich ohne Schuld der Unſchuldigſten. Aber iſt das Liebes- gefühl, ſtark wie der Tod, nicht auch verletzlich, gleich den Hörnern der Schnecke? — Es muß mir das nicht bei ihr einfallen, hatte Oswald unauf- hörlich auf dem Wege zu ſich geſagt. — Sie wird zwar unglücklich, aber werde ich’s nicht auch? Nicht tief, tief unglücklich? — Ach, wie wollte
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knäuel des Lebens, über den plumpen Spaß des
Daſeyns, welcher oft Spülicht und die Blume des
Weines zuſammenmiſcht, ſaß ihm am Herzen.
Immer kränker fühlte ſich dieſes Herz. Noch hin-
gen die Locken des Jünglings verwirrt vor ſeinem
Antlitz, um welches zuweilen eine fliegende Röthe
ergoſſen war, und ſeine Augen ſprangen unſtät
zwiſchen den Gegenſtänden hin und her, ohne einen
derſelben mit ihren Blicken zu treffen. Er ſchritt
an den Leuten vorüber, die im Flur waren und
an dem Hofſchulzen, ohne Jemand zu grüßen.
Sein Herz war voll von Gram aber auch voll
von Entſchluß. Zu Lisbeth ging er, zu der Lisbeth,
welche ihn geſtern mit dem Wieſenkrönchen als
ihren König und Herrn gekrönt hatte, und die er
nun der ſüßen Dienſtbarkeit entlaſſen wollte. Denn
ihr Bild war ihm beſudelt worden; freilich ohne
Schuld der Unſchuldigſten. Aber iſt das Liebes-
gefühl, ſtark wie der Tod, nicht auch verletzlich,
gleich den Hörnern der Schnecke? — Es muß mir
das nicht bei ihr einfallen, hatte Oswald unauf-
hörlich auf dem Wege zu ſich geſagt. — Sie wird
zwar unglücklich, aber werde ich’s nicht auch?
Nicht tief, tief unglücklich? — Ach, wie wollte
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/94>, abgerufen am 24.11.2024.
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