Sie schrieb einen Brief an den Diaconus. Zu diesem hatte sie großes Vertrauen, und den wollte sie zu ihrem Führer wählen. Nach dem Eingange, in dem sie sagte, daß eine schmerzliche Aufregung sie über ihr Geschick erleuchtet habe, lautete der Brief folgendermaßen:
"Sie hätten wohl nicht gedacht, lieber Herr Prediger, als Sie gestern die Hand auf mein Haupt legten, daß Sie von mir heute so traurige Worte hören würden. Wenn ich es Ihnen nur recht deutlich machen kann, wie mir eigentlich zu Muthe ist! Denn wenn Sie das nicht einsehen, so können Sie mir auch nicht helfen. Es ist aber gewiß recht schwer, sich deutlich zu machen mit verwirrtem Kopfe und klopfendem Herzen und be- bender Hand. Sie sind jedoch ein so guter und kluger Mann, daß Sie sich auch vielleicht aus dem Stammeln eines armen Mädchens vernehmen können.
Ach, lieber Herr Diaconus, es ist mir außer- ordentlich übel gegangen seit gestern. Es hatte wohl gestern den Anschein, als könne ich eine Braut seyn, und das will bei einem so armen und verlassenen Mädchen, wie ich bin, noch mehr sagen, als bei Anderen, die wissen, woher sie stammen.
Sie ſchrieb einen Brief an den Diaconus. Zu dieſem hatte ſie großes Vertrauen, und den wollte ſie zu ihrem Führer wählen. Nach dem Eingange, in dem ſie ſagte, daß eine ſchmerzliche Aufregung ſie über ihr Geſchick erleuchtet habe, lautete der Brief folgendermaßen:
„Sie hätten wohl nicht gedacht, lieber Herr Prediger, als Sie geſtern die Hand auf mein Haupt legten, daß Sie von mir heute ſo traurige Worte hören würden. Wenn ich es Ihnen nur recht deutlich machen kann, wie mir eigentlich zu Muthe iſt! Denn wenn Sie das nicht einſehen, ſo können Sie mir auch nicht helfen. Es iſt aber gewiß recht ſchwer, ſich deutlich zu machen mit verwirrtem Kopfe und klopfendem Herzen und be- bender Hand. Sie ſind jedoch ein ſo guter und kluger Mann, daß Sie ſich auch vielleicht aus dem Stammeln eines armen Mädchens vernehmen können.
Ach, lieber Herr Diaconus, es iſt mir außer- ordentlich übel gegangen ſeit geſtern. Es hatte wohl geſtern den Anſchein, als könne ich eine Braut ſeyn, und das will bei einem ſo armen und verlaſſenen Mädchen, wie ich bin, noch mehr ſagen, als bei Anderen, die wiſſen, woher ſie ſtammen.
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[73/0085]
Sie ſchrieb einen Brief an den Diaconus. Zu
dieſem hatte ſie großes Vertrauen, und den wollte
ſie zu ihrem Führer wählen. Nach dem Eingange,
in dem ſie ſagte, daß eine ſchmerzliche Aufregung
ſie über ihr Geſchick erleuchtet habe, lautete der
Brief folgendermaßen:
„Sie hätten wohl nicht gedacht, lieber Herr
Prediger, als Sie geſtern die Hand auf mein
Haupt legten, daß Sie von mir heute ſo traurige
Worte hören würden. Wenn ich es Ihnen nur
recht deutlich machen kann, wie mir eigentlich zu
Muthe iſt! Denn wenn Sie das nicht einſehen,
ſo können Sie mir auch nicht helfen. Es iſt aber
gewiß recht ſchwer, ſich deutlich zu machen mit
verwirrtem Kopfe und klopfendem Herzen und be-
bender Hand. Sie ſind jedoch ein ſo guter und
kluger Mann, daß Sie ſich auch vielleicht aus dem
Stammeln eines armen Mädchens vernehmen können.
Ach, lieber Herr Diaconus, es iſt mir außer-
ordentlich übel gegangen ſeit geſtern. Es hatte
wohl geſtern den Anſchein, als könne ich eine
Braut ſeyn, und das will bei einem ſo armen und
verlaſſenen Mädchen, wie ich bin, noch mehr ſagen,
als bei Anderen, die wiſſen, woher ſie ſtammen.
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/85>, abgerufen am 28.11.2024.
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