Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Herr Schmitz, fuhr der Patriotencaspar fort. -- Es
war nun starkes Unwetter geworden und bei dem
Donnern und Blitzen unterweges wurde mir grau-
lich zu Muthe. Ich dachte: Die Magdalis erwartet
dich in ihrer Kammer, und ihr Bruder liegt da
todt am Kreuzweg, und der Hofschulze schläft
und läßt sich nichts träumen, und du gehst über
das Stoppelfeld. -- Zu Hause nahm freilich der
gräuliche Schmerz im Auge alle meine Besinnung
weg, und nur unterweilen konnte ich mir vorstellen,
daß sie mir nun vielleicht den Kopf abschlagen
würden. Es kam aber Alles ganz anders, Herr
Schmitz.

Den anderen Tag ließ ich den Feldscherer holen,
und der sagte mir, daß das Auge heidi sei, denn
mit uns Bauersleuten machen die Doctors nicht
viele Umstände. Na, das Auge lief auch wirklich
aus, Herr Schmitz, und schrumpfte weg und ich erwar-
tete alle Tage die Gerichte im Erb, die mich ab-
holen würden, denn fliehen mochte ich nicht. Aber
keine Gerichte kamen.

Dagegen kam ein Kerl, der der Frohnbot hieß,
von wegen des Dings droben unter den drei Linden,
und sagte, ich sei geheischen und geladen zum Stuhl,

Herr Schmitz, fuhr der Patriotencaspar fort. — Es
war nun ſtarkes Unwetter geworden und bei dem
Donnern und Blitzen unterweges wurde mir grau-
lich zu Muthe. Ich dachte: Die Magdalis erwartet
dich in ihrer Kammer, und ihr Bruder liegt da
todt am Kreuzweg, und der Hofſchulze ſchläft
und läßt ſich nichts träumen, und du gehſt über
das Stoppelfeld. — Zu Hauſe nahm freilich der
gräuliche Schmerz im Auge alle meine Beſinnung
weg, und nur unterweilen konnte ich mir vorſtellen,
daß ſie mir nun vielleicht den Kopf abſchlagen
würden. Es kam aber Alles ganz anders, Herr
Schmitz.

Den anderen Tag ließ ich den Feldſcherer holen,
und der ſagte mir, daß das Auge heidi ſei, denn
mit uns Bauersleuten machen die Doctors nicht
viele Umſtände. Na, das Auge lief auch wirklich
aus, Herr Schmitz, und ſchrumpfte weg und ich erwar-
tete alle Tage die Gerichte im Erb, die mich ab-
holen würden, denn fliehen mochte ich nicht. Aber
keine Gerichte kamen.

Dagegen kam ein Kerl, der der Frohnbot hieß,
von wegen des Dings droben unter den drei Linden,
und ſagte, ich ſei geheiſchen und geladen zum Stuhl,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0068" n="56"/>
Herr Schmitz, fuhr der Patriotencaspar fort. &#x2014; Es<lb/>
war nun &#x017F;tarkes Unwetter geworden und bei dem<lb/>
Donnern und Blitzen unterweges wurde mir grau-<lb/>
lich zu Muthe. Ich dachte: Die Magdalis erwartet<lb/>
dich in ihrer Kammer, und ihr Bruder liegt da<lb/>
todt am Kreuzweg, und der Hof&#x017F;chulze &#x017F;chläft<lb/>
und läßt &#x017F;ich nichts träumen, und du geh&#x017F;t über<lb/>
das Stoppelfeld. &#x2014; Zu Hau&#x017F;e nahm freilich der<lb/>
gräuliche Schmerz im Auge alle meine Be&#x017F;innung<lb/>
weg, und nur unterweilen konnte ich mir vor&#x017F;tellen,<lb/>
daß &#x017F;ie mir nun vielleicht den Kopf ab&#x017F;chlagen<lb/>
würden. Es kam aber Alles ganz anders, Herr<lb/>
Schmitz.</p><lb/>
          <p>Den anderen Tag ließ ich den Feld&#x017F;cherer holen,<lb/>
und der &#x017F;agte mir, daß das Auge heidi &#x017F;ei, denn<lb/>
mit uns Bauersleuten machen die Doctors nicht<lb/>
viele Um&#x017F;tände. Na, das Auge lief auch wirklich<lb/>
aus, Herr Schmitz, und &#x017F;chrumpfte weg und ich erwar-<lb/>
tete alle Tage die Gerichte im Erb, die mich ab-<lb/>
holen würden, denn fliehen mochte ich nicht. Aber<lb/>
keine Gerichte kamen.</p><lb/>
          <p>Dagegen kam ein Kerl, der der Frohnbot hieß,<lb/>
von wegen des Dings droben unter den drei Linden,<lb/>
und &#x017F;agte, ich &#x017F;ei gehei&#x017F;chen und geladen zum Stuhl,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0068] Herr Schmitz, fuhr der Patriotencaspar fort. — Es war nun ſtarkes Unwetter geworden und bei dem Donnern und Blitzen unterweges wurde mir grau- lich zu Muthe. Ich dachte: Die Magdalis erwartet dich in ihrer Kammer, und ihr Bruder liegt da todt am Kreuzweg, und der Hofſchulze ſchläft und läßt ſich nichts träumen, und du gehſt über das Stoppelfeld. — Zu Hauſe nahm freilich der gräuliche Schmerz im Auge alle meine Beſinnung weg, und nur unterweilen konnte ich mir vorſtellen, daß ſie mir nun vielleicht den Kopf abſchlagen würden. Es kam aber Alles ganz anders, Herr Schmitz. Den anderen Tag ließ ich den Feldſcherer holen, und der ſagte mir, daß das Auge heidi ſei, denn mit uns Bauersleuten machen die Doctors nicht viele Umſtände. Na, das Auge lief auch wirklich aus, Herr Schmitz, und ſchrumpfte weg und ich erwar- tete alle Tage die Gerichte im Erb, die mich ab- holen würden, denn fliehen mochte ich nicht. Aber keine Gerichte kamen. Dagegen kam ein Kerl, der der Frohnbot hieß, von wegen des Dings droben unter den drei Linden, und ſagte, ich ſei geheiſchen und geladen zum Stuhl,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/68
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/68>, abgerufen am 22.11.2024.