Entzücken und Thränen. Er war aber gar nicht entzückt und vergoß auch keine Thräne. Sondern bitterböse war er und rief: Verdammt, daß der Humor immer wörtlich genommen wird! Aller- dings war der Graf in großer Gefahr, und noch jetzt ist ein Rückfall zu besorgen, wenn man ihn nicht vor Gemüthsbewegungen in Acht nimmt. Er hatte hierauf mit der Baronesse ein Gespräch unter vier Augen. In Folge desselben wußte die junge Dame die neue Gräfin zu bestimmen, daß sie noch an ihrem Hochzeittage mit ihr abreiste, und so trennte sich das Paar wenige Stunden nach seiner ewigen Vereinigung unter heißen Thrä- nen, aber mit freiem und würdigem Entschlusse. Nachdem Clelia ihren entronnenen Gemahl aus dem Osnabrück'schen sich wiedergeholt hatte, reisten sie zusammen durch Holland, Belgien, Frankreich, England bis nach Schottland. Die junge Frau oder Braut sah Vieles, merkte auf Alles und wechselte mit ihrem Gemahle oder Bräutigam die schönsten Briefe. Man sah ihr nirgend an, daß sie nur ein Findling war, sondern sie betrug sich wie eine geborene Gräfin. In England wurde sie der Königin vorgestellt, diese küßte sie auf die
Entzücken und Thränen. Er war aber gar nicht entzückt und vergoß auch keine Thräne. Sondern bitterböſe war er und rief: Verdammt, daß der Humor immer wörtlich genommen wird! Aller- dings war der Graf in großer Gefahr, und noch jetzt iſt ein Rückfall zu beſorgen, wenn man ihn nicht vor Gemüthsbewegungen in Acht nimmt. Er hatte hierauf mit der Baroneſſe ein Geſpräch unter vier Augen. In Folge deſſelben wußte die junge Dame die neue Gräfin zu beſtimmen, daß ſie noch an ihrem Hochzeittage mit ihr abreiſte, und ſo trennte ſich das Paar wenige Stunden nach ſeiner ewigen Vereinigung unter heißen Thrä- nen, aber mit freiem und würdigem Entſchluſſe. Nachdem Clelia ihren entronnenen Gemahl aus dem Osnabrück’ſchen ſich wiedergeholt hatte, reiſten ſie zuſammen durch Holland, Belgien, Frankreich, England bis nach Schottland. Die junge Frau oder Braut ſah Vieles, merkte auf Alles und wechſelte mit ihrem Gemahle oder Bräutigam die ſchönſten Briefe. Man ſah ihr nirgend an, daß ſie nur ein Findling war, ſondern ſie betrug ſich wie eine geborene Gräfin. In England wurde ſie der Königin vorgeſtellt, dieſe küßte ſie auf die
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Entzücken und Thränen. Er war aber gar nicht
entzückt und vergoß auch keine Thräne. Sondern
bitterböſe war er und rief: Verdammt, daß der
Humor immer wörtlich genommen wird! Aller-
dings war der Graf in großer Gefahr, und noch
jetzt iſt ein Rückfall zu beſorgen, wenn man ihn
nicht vor Gemüthsbewegungen in Acht nimmt.
Er hatte hierauf mit der Baroneſſe ein Geſpräch
unter vier Augen. In Folge deſſelben wußte die
junge Dame die neue Gräfin zu beſtimmen, daß
ſie noch an ihrem Hochzeittage mit ihr abreiſte,
und ſo trennte ſich das Paar wenige Stunden
nach ſeiner ewigen Vereinigung unter heißen Thrä-
nen, aber mit freiem und würdigem Entſchluſſe.
Nachdem Clelia ihren entronnenen Gemahl aus
dem Osnabrück’ſchen ſich wiedergeholt hatte, reiſten
ſie zuſammen durch Holland, Belgien, Frankreich,
England bis nach Schottland. Die junge Frau
oder Braut ſah Vieles, merkte auf Alles und
wechſelte mit ihrem Gemahle oder Bräutigam die
ſchönſten Briefe. Man ſah ihr nirgend an, daß
ſie nur ein Findling war, ſondern ſie betrug ſich
wie eine geborene Gräfin. In England wurde
ſie der Königin vorgeſtellt, dieſe küßte ſie auf die
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/309>, abgerufen am 23.11.2024.
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