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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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jungen Strohwittwe, die noch dazu das Unglück
hat, selbst in ihren Landläufer von Gemahl ver-
liebt zu seyn, den Kopf schon verdrehen; aber
kennst du die Welt, das taube, hartmäulige Thier?
Brautleute sind zu trennen, eine Verlobung ist
rückgängig zu machen, da muß man also einen
Riegel vorschieben, einen von denen, die nicht
weichen und wanken. O die Ehe, der gute, feste,
unweichsame Riegel! Immer gleich sieht er aus,
man mag ihn von der oder der Seite beschauen.
Seid Ihr getraut, so mögen sie schimpfen, scan-
daliren, chicaniren, Ihr sitzt geborgen hinter'm
Riegel. Da hat selbst der Kaiser seine Macht
verloren. Ihr seid Mann und Frau und sie müssen
sehen, wie sie sich drein finden. -- Jetzt aber
komm her, mein Bräutlein, daß ich dich schmücke.

Sie stellte ihren Juwelenkasten neben sich, setzte
sich in einen Lehnstuhl und Lisbeth mußte vor ihr
auf dem Fußschemel knien. -- Ein anderes Kleid
können wir dir nicht anziehen, denn meine sind
dir zu weit, du schlankes Reh, aber die besten
Brillanten schenke ich dir; sagte sie. Ein reiches
Collier, die Broche und die dazu gehörigen Ohr-
gehänge nahm sie aus dem Kasten. Sie legte der

Immermann's Münchhausen. 4. Th. 19

jungen Strohwittwe, die noch dazu das Unglück
hat, ſelbſt in ihren Landläufer von Gemahl ver-
liebt zu ſeyn, den Kopf ſchon verdrehen; aber
kennſt du die Welt, das taube, hartmäulige Thier?
Brautleute ſind zu trennen, eine Verlobung iſt
rückgängig zu machen, da muß man alſo einen
Riegel vorſchieben, einen von denen, die nicht
weichen und wanken. O die Ehe, der gute, feſte,
unweichſame Riegel! Immer gleich ſieht er aus,
man mag ihn von der oder der Seite beſchauen.
Seid Ihr getraut, ſo mögen ſie ſchimpfen, ſcan-
daliren, chicaniren, Ihr ſitzt geborgen hinter’m
Riegel. Da hat ſelbſt der Kaiſer ſeine Macht
verloren. Ihr ſeid Mann und Frau und ſie müſſen
ſehen, wie ſie ſich drein finden. — Jetzt aber
komm her, mein Bräutlein, daß ich dich ſchmücke.

Sie ſtellte ihren Juwelenkaſten neben ſich, ſetzte
ſich in einen Lehnſtuhl und Lisbeth mußte vor ihr
auf dem Fußſchemel knien. — Ein anderes Kleid
können wir dir nicht anziehen, denn meine ſind
dir zu weit, du ſchlankes Reh, aber die beſten
Brillanten ſchenke ich dir; ſagte ſie. Ein reiches
Collier, die Broche und die dazu gehörigen Ohr-
gehänge nahm ſie aus dem Kaſten. Sie legte der

Immermann’s Münchhauſen. 4. Th. 19
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[289/0301] jungen Strohwittwe, die noch dazu das Unglück hat, ſelbſt in ihren Landläufer von Gemahl ver- liebt zu ſeyn, den Kopf ſchon verdrehen; aber kennſt du die Welt, das taube, hartmäulige Thier? Brautleute ſind zu trennen, eine Verlobung iſt rückgängig zu machen, da muß man alſo einen Riegel vorſchieben, einen von denen, die nicht weichen und wanken. O die Ehe, der gute, feſte, unweichſame Riegel! Immer gleich ſieht er aus, man mag ihn von der oder der Seite beſchauen. Seid Ihr getraut, ſo mögen ſie ſchimpfen, ſcan- daliren, chicaniren, Ihr ſitzt geborgen hinter’m Riegel. Da hat ſelbſt der Kaiſer ſeine Macht verloren. Ihr ſeid Mann und Frau und ſie müſſen ſehen, wie ſie ſich drein finden. — Jetzt aber komm her, mein Bräutlein, daß ich dich ſchmücke. Sie ſtellte ihren Juwelenkaſten neben ſich, ſetzte ſich in einen Lehnſtuhl und Lisbeth mußte vor ihr auf dem Fußſchemel knien. — Ein anderes Kleid können wir dir nicht anziehen, denn meine ſind dir zu weit, du ſchlankes Reh, aber die beſten Brillanten ſchenke ich dir; ſagte ſie. Ein reiches Collier, die Broche und die dazu gehörigen Ohr- gehänge nahm ſie aus dem Kaſten. Sie legte der Immermann’s Münchhauſen. 4. Th. 19

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/301>, abgerufen am 24.11.2024.