Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

gemacht zu haben einsehen, ohne viele Weiterungen
durch Wort und That bekennen: Wir haben när-
rische Streiche gemacht. -- Kein Schmollen, kein
Hinzögern, kein falscher Widerstand hauchte über
den Spiegel dieser komisch-anmuthigen Seele. Lis-
beth hatte sie überwunden, und sie schämte sich nun
der Niederlage nicht. Sie drückte sie an sich, sie
streichelte ihre Wangen, sie gab ihr die zärtlichsten
Namen, nannte sie ihr kaiserlich Kind und eine
geborene Prinzessin der Ehre. Lisbeth war von dem
plötzlichen Wechsel wie betäubt und ruhte freude-
trunken an der Brust der ihr noch vor wenigen
Minuten so feindlich gewesenen neuen Freundin.
Clelia schlug ihren Arm um den Nacken des bräut-
lichen Kindes und ging mit ihr halbtanzend auf
und nieder; dann stellte sie sich mit ihr vor den
Spiegel, stemmte die Hände in die Seite und sagte,
drollige Vergleichungen anstellend: Cendrillon und
daneben alle drei Fräulein Schwestern in einer
Person. Sie drohte ihrem Spiegelbilde, schnitt
ihm neckische Gesichter und rief: Wie kann man
sich so aufdonnern?

Sie war in einem Taumel der Lust und trieb
darin Rührendes und Possenhaftes durcheinander.

gemacht zu haben einſehen, ohne viele Weiterungen
durch Wort und That bekennen: Wir haben när-
riſche Streiche gemacht. — Kein Schmollen, kein
Hinzögern, kein falſcher Widerſtand hauchte über
den Spiegel dieſer komiſch-anmuthigen Seele. Lis-
beth hatte ſie überwunden, und ſie ſchämte ſich nun
der Niederlage nicht. Sie drückte ſie an ſich, ſie
ſtreichelte ihre Wangen, ſie gab ihr die zärtlichſten
Namen, nannte ſie ihr kaiſerlich Kind und eine
geborene Prinzeſſin der Ehre. Lisbeth war von dem
plötzlichen Wechſel wie betäubt und ruhte freude-
trunken an der Bruſt der ihr noch vor wenigen
Minuten ſo feindlich geweſenen neuen Freundin.
Clelia ſchlug ihren Arm um den Nacken des bräut-
lichen Kindes und ging mit ihr halbtanzend auf
und nieder; dann ſtellte ſie ſich mit ihr vor den
Spiegel, ſtemmte die Hände in die Seite und ſagte,
drollige Vergleichungen anſtellend: Cendrillon und
daneben alle drei Fräulein Schweſtern in einer
Perſon. Sie drohte ihrem Spiegelbilde, ſchnitt
ihm neckiſche Geſichter und rief: Wie kann man
ſich ſo aufdonnern?

Sie war in einem Taumel der Luſt und trieb
darin Rührendes und Poſſenhaftes durcheinander.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0295" n="283"/>
gemacht zu haben ein&#x017F;ehen, ohne viele Weiterungen<lb/>
durch Wort und That bekennen: Wir haben när-<lb/>
ri&#x017F;che Streiche gemacht. &#x2014; Kein Schmollen, kein<lb/>
Hinzögern, kein fal&#x017F;cher Wider&#x017F;tand hauchte über<lb/>
den Spiegel die&#x017F;er komi&#x017F;ch-anmuthigen Seele. Lis-<lb/>
beth hatte &#x017F;ie überwunden, und &#x017F;ie &#x017F;chämte &#x017F;ich nun<lb/>
der Niederlage nicht. Sie drückte &#x017F;ie an &#x017F;ich, &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;treichelte ihre Wangen, &#x017F;ie gab ihr die zärtlich&#x017F;ten<lb/>
Namen, nannte &#x017F;ie ihr kai&#x017F;erlich Kind und eine<lb/>
geborene Prinze&#x017F;&#x017F;in der Ehre. Lisbeth war von dem<lb/>
plötzlichen Wech&#x017F;el wie betäubt und ruhte freude-<lb/>
trunken an der Bru&#x017F;t der ihr noch vor wenigen<lb/>
Minuten &#x017F;o feindlich gewe&#x017F;enen neuen Freundin.<lb/>
Clelia &#x017F;chlug ihren Arm um den Nacken des bräut-<lb/>
lichen Kindes und ging mit ihr halbtanzend auf<lb/>
und nieder; dann &#x017F;tellte &#x017F;ie &#x017F;ich mit ihr vor den<lb/>
Spiegel, &#x017F;temmte die Hände in die Seite und &#x017F;agte,<lb/>
drollige Vergleichungen an&#x017F;tellend: Cendrillon und<lb/>
daneben alle drei Fräulein Schwe&#x017F;tern in <hi rendition="#g">einer</hi><lb/>
Per&#x017F;on. Sie drohte ihrem Spiegelbilde, &#x017F;chnitt<lb/>
ihm necki&#x017F;che Ge&#x017F;ichter und rief: Wie kann man<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o aufdonnern?</p><lb/>
          <p>Sie war in einem Taumel der Lu&#x017F;t und trieb<lb/>
darin Rührendes und Po&#x017F;&#x017F;enhaftes durcheinander.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0295] gemacht zu haben einſehen, ohne viele Weiterungen durch Wort und That bekennen: Wir haben när- riſche Streiche gemacht. — Kein Schmollen, kein Hinzögern, kein falſcher Widerſtand hauchte über den Spiegel dieſer komiſch-anmuthigen Seele. Lis- beth hatte ſie überwunden, und ſie ſchämte ſich nun der Niederlage nicht. Sie drückte ſie an ſich, ſie ſtreichelte ihre Wangen, ſie gab ihr die zärtlichſten Namen, nannte ſie ihr kaiſerlich Kind und eine geborene Prinzeſſin der Ehre. Lisbeth war von dem plötzlichen Wechſel wie betäubt und ruhte freude- trunken an der Bruſt der ihr noch vor wenigen Minuten ſo feindlich geweſenen neuen Freundin. Clelia ſchlug ihren Arm um den Nacken des bräut- lichen Kindes und ging mit ihr halbtanzend auf und nieder; dann ſtellte ſie ſich mit ihr vor den Spiegel, ſtemmte die Hände in die Seite und ſagte, drollige Vergleichungen anſtellend: Cendrillon und daneben alle drei Fräulein Schweſtern in einer Perſon. Sie drohte ihrem Spiegelbilde, ſchnitt ihm neckiſche Geſichter und rief: Wie kann man ſich ſo aufdonnern? Sie war in einem Taumel der Luſt und trieb darin Rührendes und Poſſenhaftes durcheinander.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/295
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/295>, abgerufen am 24.11.2024.