Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

der Welt so leicht in Verlegenheit gesetzte Herz
eines Mannes, sehen Sie doch um des Himmels
willen die Dinge, wie sie sind!

Ja, gnädige Frau, ich sehe die Dinge, wie sie
sind, nicht wie sie scheinen. Hätte er noch Eltern,
so wäre es etwas Anderes. Der Eltern Macht
ist von Gott, das weiß ich, obgleich ich Arme
keine hatte. Entsagen würde ich ihm zwar immer
nicht, wenn er auch noch Vater und Mutter be-
säße, aber geduldig harren und zu ihm sprechen:
Oswald, harre auch du in Geduld, bis Gott deiner
Eltern Sinn wendet. Jedoch so! Verhältnisse
und immer Verhältnisse! Ei, ist es nicht auch
ein Verhältniß, wenn ich seine Frau bin? Also
Verhältniß gegen Verhältniß, und wir wollen er-
warten, welches das mächtigere und bessere sei! --
Nehmen seine stolzen Oheime und Tanten ihn in
ihre Arme, daß er darin ruhe und lächle und
wachse und gedeihe? Nein. Aber ich werde es
thun. Baut ihm Ihr König sein Haus auf?
Nein. Aber ich werde es thun mit des Himmels
Hülfe. Und wenn er einmal so schwach seyn sollte,
verlegen auszusehen über mich, denn es ist möglich,
daß Sie darin Recht behalten -- nun, der Schwäche

Immermann's Münchhausen. 4. Th. 18

der Welt ſo leicht in Verlegenheit geſetzte Herz
eines Mannes, ſehen Sie doch um des Himmels
willen die Dinge, wie ſie ſind!

Ja, gnädige Frau, ich ſehe die Dinge, wie ſie
ſind, nicht wie ſie ſcheinen. Hätte er noch Eltern,
ſo wäre es etwas Anderes. Der Eltern Macht
iſt von Gott, das weiß ich, obgleich ich Arme
keine hatte. Entſagen würde ich ihm zwar immer
nicht, wenn er auch noch Vater und Mutter be-
ſäße, aber geduldig harren und zu ihm ſprechen:
Oswald, harre auch du in Geduld, bis Gott deiner
Eltern Sinn wendet. Jedoch ſo! Verhältniſſe
und immer Verhältniſſe! Ei, iſt es nicht auch
ein Verhältniß, wenn ich ſeine Frau bin? Alſo
Verhältniß gegen Verhältniß, und wir wollen er-
warten, welches das mächtigere und beſſere ſei! —
Nehmen ſeine ſtolzen Oheime und Tanten ihn in
ihre Arme, daß er darin ruhe und lächle und
wachſe und gedeihe? Nein. Aber ich werde es
thun. Baut ihm Ihr König ſein Haus auf?
Nein. Aber ich werde es thun mit des Himmels
Hülfe. Und wenn er einmal ſo ſchwach ſeyn ſollte,
verlegen auszuſehen über mich, denn es iſt möglich,
daß Sie darin Recht behalten — nun, der Schwäche

Immermann’s Münchhauſen. 4. Th. 18
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0285" n="273"/>
der Welt &#x017F;o leicht in Verlegenheit ge&#x017F;etzte Herz<lb/>
eines Mannes, &#x017F;ehen Sie doch um des Himmels<lb/>
willen die Dinge, wie &#x017F;ie &#x017F;ind!</p><lb/>
          <p>Ja, gnädige Frau, ich &#x017F;ehe die Dinge, wie &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ind, nicht wie &#x017F;ie &#x017F;cheinen. Hätte er noch Eltern,<lb/>
&#x017F;o wäre es etwas Anderes. Der Eltern Macht<lb/>
i&#x017F;t von Gott, das weiß ich, obgleich ich Arme<lb/>
keine hatte. Ent&#x017F;agen würde ich ihm zwar immer<lb/>
nicht, wenn er auch noch Vater und Mutter be-<lb/>
&#x017F;äße, aber geduldig harren und zu ihm &#x017F;prechen:<lb/>
Oswald, harre auch du in Geduld, bis Gott deiner<lb/>
Eltern Sinn wendet. Jedoch &#x017F;o! Verhältni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
und immer Verhältni&#x017F;&#x017F;e! Ei, i&#x017F;t es nicht auch<lb/>
ein Verhältniß, wenn ich &#x017F;eine Frau bin? Al&#x017F;o<lb/>
Verhältniß gegen Verhältniß, und wir wollen er-<lb/>
warten, welches das mächtigere und be&#x017F;&#x017F;ere &#x017F;ei! &#x2014;<lb/>
Nehmen &#x017F;eine &#x017F;tolzen Oheime und Tanten ihn in<lb/>
ihre Arme, daß er darin ruhe und lächle und<lb/>
wach&#x017F;e und gedeihe? Nein. Aber ich werde es<lb/>
thun. Baut ihm Ihr König &#x017F;ein Haus auf?<lb/>
Nein. Aber ich werde es thun mit des Himmels<lb/>
Hülfe. Und wenn er einmal &#x017F;o &#x017F;chwach &#x017F;eyn &#x017F;ollte,<lb/>
verlegen auszu&#x017F;ehen über mich, denn es i&#x017F;t möglich,<lb/>
daß Sie darin Recht behalten &#x2014; nun, der Schwäche<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Immermann&#x2019;s Münchhau&#x017F;en. 4. Th. 18</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0285] der Welt ſo leicht in Verlegenheit geſetzte Herz eines Mannes, ſehen Sie doch um des Himmels willen die Dinge, wie ſie ſind! Ja, gnädige Frau, ich ſehe die Dinge, wie ſie ſind, nicht wie ſie ſcheinen. Hätte er noch Eltern, ſo wäre es etwas Anderes. Der Eltern Macht iſt von Gott, das weiß ich, obgleich ich Arme keine hatte. Entſagen würde ich ihm zwar immer nicht, wenn er auch noch Vater und Mutter be- ſäße, aber geduldig harren und zu ihm ſprechen: Oswald, harre auch du in Geduld, bis Gott deiner Eltern Sinn wendet. Jedoch ſo! Verhältniſſe und immer Verhältniſſe! Ei, iſt es nicht auch ein Verhältniß, wenn ich ſeine Frau bin? Alſo Verhältniß gegen Verhältniß, und wir wollen er- warten, welches das mächtigere und beſſere ſei! — Nehmen ſeine ſtolzen Oheime und Tanten ihn in ihre Arme, daß er darin ruhe und lächle und wachſe und gedeihe? Nein. Aber ich werde es thun. Baut ihm Ihr König ſein Haus auf? Nein. Aber ich werde es thun mit des Himmels Hülfe. Und wenn er einmal ſo ſchwach ſeyn ſollte, verlegen auszuſehen über mich, denn es iſt möglich, daß Sie darin Recht behalten — nun, der Schwäche Immermann’s Münchhauſen. 4. Th. 18

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/285
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/285>, abgerufen am 24.11.2024.