Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Dort saß denn auch der Spielmann und sah
beharrlich lauernd nach dem Hause hinüber. Zu-
weilen erhob er sich mit halbem Leibe, um aufzu-
stehen, und dieß geschah, wenn sich eben Niemand
in der Thüre und im Flure des Oberhofes blicken
ließ, aber bei dem Ab- und Zulaufen der Men-
schen dauerte das immer nur einen Augenblick.
Sobald wieder Menschen sichtbar wurden, setzte er
sich immer wieder unwillig hin. Auch drehte er
zuweilen heftig an seinem Leierkasten, worauf dieser
widerwärtige Töne von sich gab, die pfeifend und
heulend ausklangen. Darüber machten die Leute,
die eben vorbeigingen, (und es gingen Viele an
jenem Tage durch den Eichenkamp) ihre groben
Späße, und Einer oder der Andere sagte, der
Patriotencaspar pfeife aus dem letzten Loche. Doch
äußerte sich so meistens nur das junge Volk, dessen
Erinnerung den Spielmann bloß als eine lächer-
liche Gestalt kannte; die Alten bekümmerten sich
hier so wenig um ihn als anderer Orten, wenn
sie ihm zufällig begegneten. Die Späße der jun-
gen Leute ließ der Patriotencaspar ruhig und ohne
Erwiederung an sich vorübergleiten, oder höchstens
zwinkerte er dazu mit seinem unversehrt gebliebenen

Dort ſaß denn auch der Spielmann und ſah
beharrlich lauernd nach dem Hauſe hinüber. Zu-
weilen erhob er ſich mit halbem Leibe, um aufzu-
ſtehen, und dieß geſchah, wenn ſich eben Niemand
in der Thüre und im Flure des Oberhofes blicken
ließ, aber bei dem Ab- und Zulaufen der Men-
ſchen dauerte das immer nur einen Augenblick.
Sobald wieder Menſchen ſichtbar wurden, ſetzte er
ſich immer wieder unwillig hin. Auch drehte er
zuweilen heftig an ſeinem Leierkaſten, worauf dieſer
widerwärtige Töne von ſich gab, die pfeifend und
heulend ausklangen. Darüber machten die Leute,
die eben vorbeigingen, (und es gingen Viele an
jenem Tage durch den Eichenkamp) ihre groben
Späße, und Einer oder der Andere ſagte, der
Patriotencaspar pfeife aus dem letzten Loche. Doch
äußerte ſich ſo meiſtens nur das junge Volk, deſſen
Erinnerung den Spielmann bloß als eine lächer-
liche Geſtalt kannte; die Alten bekümmerten ſich
hier ſo wenig um ihn als anderer Orten, wenn
ſie ihm zufällig begegneten. Die Späße der jun-
gen Leute ließ der Patriotencaspar ruhig und ohne
Erwiederung an ſich vorübergleiten, oder höchſtens
zwinkerte er dazu mit ſeinem unverſehrt gebliebenen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0024" n="12"/>
          <p>Dort &#x017F;aß denn auch der Spielmann und &#x017F;ah<lb/>
beharrlich lauernd nach dem Hau&#x017F;e hinüber. Zu-<lb/>
weilen erhob er &#x017F;ich mit halbem Leibe, um aufzu-<lb/>
&#x017F;tehen, und dieß ge&#x017F;chah, wenn &#x017F;ich eben Niemand<lb/>
in der Thüre und im Flure des Oberhofes blicken<lb/>
ließ, aber bei dem Ab- und Zulaufen der Men-<lb/>
&#x017F;chen dauerte das immer nur einen Augenblick.<lb/>
Sobald wieder Men&#x017F;chen &#x017F;ichtbar wurden, &#x017F;etzte er<lb/>
&#x017F;ich immer wieder unwillig hin. Auch drehte er<lb/>
zuweilen heftig an &#x017F;einem Leierka&#x017F;ten, worauf die&#x017F;er<lb/>
widerwärtige Töne von &#x017F;ich gab, die pfeifend und<lb/>
heulend ausklangen. Darüber machten die Leute,<lb/>
die eben vorbeigingen, (und es gingen Viele an<lb/>
jenem Tage durch den Eichenkamp) ihre groben<lb/>
Späße, und Einer oder der Andere &#x017F;agte, der<lb/>
Patriotencaspar pfeife aus dem letzten Loche. Doch<lb/>
äußerte &#x017F;ich <hi rendition="#g">&#x017F;o</hi> mei&#x017F;tens nur das junge Volk, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Erinnerung den Spielmann bloß als eine lächer-<lb/>
liche Ge&#x017F;talt kannte; die Alten bekümmerten &#x017F;ich<lb/>
hier &#x017F;o wenig um ihn als anderer Orten, wenn<lb/>
&#x017F;ie ihm zufällig begegneten. Die Späße der jun-<lb/>
gen Leute ließ der Patriotencaspar ruhig und ohne<lb/>
Erwiederung an &#x017F;ich vorübergleiten, oder höch&#x017F;tens<lb/>
zwinkerte er dazu mit &#x017F;einem unver&#x017F;ehrt gebliebenen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0024] Dort ſaß denn auch der Spielmann und ſah beharrlich lauernd nach dem Hauſe hinüber. Zu- weilen erhob er ſich mit halbem Leibe, um aufzu- ſtehen, und dieß geſchah, wenn ſich eben Niemand in der Thüre und im Flure des Oberhofes blicken ließ, aber bei dem Ab- und Zulaufen der Men- ſchen dauerte das immer nur einen Augenblick. Sobald wieder Menſchen ſichtbar wurden, ſetzte er ſich immer wieder unwillig hin. Auch drehte er zuweilen heftig an ſeinem Leierkaſten, worauf dieſer widerwärtige Töne von ſich gab, die pfeifend und heulend ausklangen. Darüber machten die Leute, die eben vorbeigingen, (und es gingen Viele an jenem Tage durch den Eichenkamp) ihre groben Späße, und Einer oder der Andere ſagte, der Patriotencaspar pfeife aus dem letzten Loche. Doch äußerte ſich ſo meiſtens nur das junge Volk, deſſen Erinnerung den Spielmann bloß als eine lächer- liche Geſtalt kannte; die Alten bekümmerten ſich hier ſo wenig um ihn als anderer Orten, wenn ſie ihm zufällig begegneten. Die Späße der jun- gen Leute ließ der Patriotencaspar ruhig und ohne Erwiederung an ſich vorübergleiten, oder höchſtens zwinkerte er dazu mit ſeinem unverſehrt gebliebenen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/24
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/24>, abgerufen am 11.12.2024.