zurückgekommen und ließ anfragen, ob er aufwarten dürfe. In der Dürre dieses Tages erschien ihr der Geschäftsmann wie ein Retter aus der Noth; gern wurde er angenommen. Als er seine verehrte Schöne in dem neuen, reizenden Anzuge sah, be- gannen seine Augen wacker zu werden, er sah ganz verklärt aus. -- Das Sticken aus freier Hand schien ihr einige Beschwerde zu verursachen. Er fragte sie lebhaft, ob er ihr den Stramin halten dürfe? Sie bejahte im schmeichelndsten Tone. Mit leuchtenden Blicken setzte sich nun der Ober- amtmann zum Dienste der Galanterie auf ein Fuß- bänkchen zu den Füßen der jungen Dame nieder, nahm den Stramin fest in seine beiden Hände und sah so ernsthaft auf die Rosen, die unter Cle- lia's Nadel entstanden, als habe er ein Todesur- theil vor Augen. Auch Clelia stickte eifrig, als arbeite sie um das tägliche Brod, und Fancy saß im Fenster, mit einer Beeiferung ohne Gleichen nähend.
Die Spannung der nächsten Augenblicke war nicht gering. Endlich fragte Clelia ihren grauen Verehrer, wie er die Sache mit dem Vetter an- zugreifen gedenke? worauf er ihr ungefähr die näm-
zurückgekommen und ließ anfragen, ob er aufwarten dürfe. In der Dürre dieſes Tages erſchien ihr der Geſchäftsmann wie ein Retter aus der Noth; gern wurde er angenommen. Als er ſeine verehrte Schöne in dem neuen, reizenden Anzuge ſah, be- gannen ſeine Augen wacker zu werden, er ſah ganz verklärt aus. — Das Sticken aus freier Hand ſchien ihr einige Beſchwerde zu verurſachen. Er fragte ſie lebhaft, ob er ihr den Stramin halten dürfe? Sie bejahte im ſchmeichelndſten Tone. Mit leuchtenden Blicken ſetzte ſich nun der Ober- amtmann zum Dienſte der Galanterie auf ein Fuß- bänkchen zu den Füßen der jungen Dame nieder, nahm den Stramin feſt in ſeine beiden Hände und ſah ſo ernſthaft auf die Roſen, die unter Cle- lia’s Nadel entſtanden, als habe er ein Todesur- theil vor Augen. Auch Clelia ſtickte eifrig, als arbeite ſie um das tägliche Brod, und Fancy ſaß im Fenſter, mit einer Beeiferung ohne Gleichen nähend.
Die Spannung der nächſten Augenblicke war nicht gering. Endlich fragte Clelia ihren grauen Verehrer, wie er die Sache mit dem Vetter an- zugreifen gedenke? worauf er ihr ungefähr die näm-
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zurückgekommen und ließ anfragen, ob er aufwarten
dürfe. In der Dürre dieſes Tages erſchien ihr
der Geſchäftsmann wie ein Retter aus der Noth;
gern wurde er angenommen. Als er ſeine verehrte
Schöne in dem neuen, reizenden Anzuge ſah, be-
gannen ſeine Augen wacker zu werden, er ſah ganz
verklärt aus. — Das Sticken aus freier Hand
ſchien ihr einige Beſchwerde zu verurſachen. Er
fragte ſie lebhaft, ob er ihr den Stramin halten
dürfe? Sie bejahte im ſchmeichelndſten Tone.
Mit leuchtenden Blicken ſetzte ſich nun der Ober-
amtmann zum Dienſte der Galanterie auf ein Fuß-
bänkchen zu den Füßen der jungen Dame nieder,
nahm den Stramin feſt in ſeine beiden Hände
und ſah ſo ernſthaft auf die Roſen, die unter Cle-
lia’s Nadel entſtanden, als habe er ein Todesur-
theil vor Augen. Auch Clelia ſtickte eifrig, als
arbeite ſie um das tägliche Brod, und Fancy ſaß
im Fenſter, mit einer Beeiferung ohne Gleichen
nähend.
Die Spannung der nächſten Augenblicke war
nicht gering. Endlich fragte Clelia ihren grauen
Verehrer, wie er die Sache mit dem Vetter an-
zugreifen gedenke? worauf er ihr ungefähr die näm-
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/233>, abgerufen am 24.11.2024.
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