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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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Soll das denn auf unseren Freund eine An-
wendung finden? fragte der Diaconus etwas be-
fangen.

Allerdings, erwiederte der Oberamtmann, und
Ihren Beistand erbitte ich mir auch, Herr Diaco-
nus, zu dem, was ich vorhabe. Nachdem der Graf
nun wieder hergestellt ist, oder wenigstens in ganz
kurzer Zeit seyn wird, kann ich an mein Geschäft
mit ihm oder vielmehr für ihn denken. Meine
erste Obsorge muß nämlich jetzt seyn, diese unan-
gemessene und fast verrückte Liebschaft zu zerstören.

Der Diaconus braus'te hier, seine geistliche
Fassung etwas vergessend, auf und rief in den
bestimmtesten Ausdrücken, daß er zur Zerstörung
einer solchen Liebe, welche keine Liebschaft sei,
nicht die Hand biete, vielmehr sie, so lange sie
das Gastrecht seiner Schwelle genieße, zu schützen
wissen werde. Man wurde hierauf, obgleich man
sich in gewissen Grenzen zu halten wußte, gegen-
seitig sehr warm und erschöpfte Alles, was an
heftigen und starken Versicherungen und Gegenver-
sicherungen gesagt werden konnte. Endlich fiel dem
Diaconus die Frage ein, welche bei dergleichen
Gelegenheiten die erste seyn müßte, meistentheils

Soll das denn auf unſeren Freund eine An-
wendung finden? fragte der Diaconus etwas be-
fangen.

Allerdings, erwiederte der Oberamtmann, und
Ihren Beiſtand erbitte ich mir auch, Herr Diaco-
nus, zu dem, was ich vorhabe. Nachdem der Graf
nun wieder hergeſtellt iſt, oder wenigſtens in ganz
kurzer Zeit ſeyn wird, kann ich an mein Geſchäft
mit ihm oder vielmehr für ihn denken. Meine
erſte Obſorge muß nämlich jetzt ſeyn, dieſe unan-
gemeſſene und faſt verrückte Liebſchaft zu zerſtören.

Der Diaconus brauſ’te hier, ſeine geiſtliche
Faſſung etwas vergeſſend, auf und rief in den
beſtimmteſten Ausdrücken, daß er zur Zerſtörung
einer ſolchen Liebe, welche keine Liebſchaft ſei,
nicht die Hand biete, vielmehr ſie, ſo lange ſie
das Gaſtrecht ſeiner Schwelle genieße, zu ſchützen
wiſſen werde. Man wurde hierauf, obgleich man
ſich in gewiſſen Grenzen zu halten wußte, gegen-
ſeitig ſehr warm und erſchöpfte Alles, was an
heftigen und ſtarken Verſicherungen und Gegenver-
ſicherungen geſagt werden konnte. Endlich fiel dem
Diaconus die Frage ein, welche bei dergleichen
Gelegenheiten die erſte ſeyn müßte, meiſtentheils

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[196/0208] Soll das denn auf unſeren Freund eine An- wendung finden? fragte der Diaconus etwas be- fangen. Allerdings, erwiederte der Oberamtmann, und Ihren Beiſtand erbitte ich mir auch, Herr Diaco- nus, zu dem, was ich vorhabe. Nachdem der Graf nun wieder hergeſtellt iſt, oder wenigſtens in ganz kurzer Zeit ſeyn wird, kann ich an mein Geſchäft mit ihm oder vielmehr für ihn denken. Meine erſte Obſorge muß nämlich jetzt ſeyn, dieſe unan- gemeſſene und faſt verrückte Liebſchaft zu zerſtören. Der Diaconus brauſ’te hier, ſeine geiſtliche Faſſung etwas vergeſſend, auf und rief in den beſtimmteſten Ausdrücken, daß er zur Zerſtörung einer ſolchen Liebe, welche keine Liebſchaft ſei, nicht die Hand biete, vielmehr ſie, ſo lange ſie das Gaſtrecht ſeiner Schwelle genieße, zu ſchützen wiſſen werde. Man wurde hierauf, obgleich man ſich in gewiſſen Grenzen zu halten wußte, gegen- ſeitig ſehr warm und erſchöpfte Alles, was an heftigen und ſtarken Verſicherungen und Gegenver- ſicherungen geſagt werden konnte. Endlich fiel dem Diaconus die Frage ein, welche bei dergleichen Gelegenheiten die erſte ſeyn müßte, meiſtentheils

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/208>, abgerufen am 24.11.2024.