Leidenden wohl ruhig liegen und behandelt ihn vernünftig, aber späterhin, wenn es nun heißt, er bessere sich, oder er sei Reconvalescent, da beginnt ein wahrer Cultus des Krankenzimmers, in den Augen des gewissenhaften Arztes der schlimmste Teufelsdienst. Vergebens rufen die müden und zitternden Nerven: Laßt uns in Frieden! Umsonst sehnt sich das in Unordnung gebrachte Blut nach Stille, fruchtlos ist es, daß die letzten Kohlen der Entzündung in sich verglimmen möchten -- es hilft Alles nichts, besucht wird, gefragt wird nach dem Befinden, unterhalten wird, vorgelesen wird, so- genannte kleine Freuden werden bereitet und voll Verzweiflung sieht man das Schlachtopfer der Liebe, was man gestern voll guter Hoffnung verließ, heute elend wieder. Deßhalb sterben auch in Pri- vathäusern verhältnißmäßig mehr Menschen als in wohlbeaufsichtigten Lazarethen. Und darum pflege ich auf Kranke mit Umgebungen voll Liebe und Theilnahme, die ich nicht abhalten kann, von vorne herein doppelt so viel Zeit zu rechnen, als auf Kranke ohne liebevolle Umgebungen. Hier nun --
Es ist doch abscheulich, über die edelsten Em- pfindungen so zu spotten! rief Clelia heftig.
Leidenden wohl ruhig liegen und behandelt ihn vernünftig, aber ſpäterhin, wenn es nun heißt, er beſſere ſich, oder er ſei Reconvalescent, da beginnt ein wahrer Cultus des Krankenzimmers, in den Augen des gewiſſenhaften Arztes der ſchlimmſte Teufelsdienſt. Vergebens rufen die müden und zitternden Nerven: Laßt uns in Frieden! Umſonſt ſehnt ſich das in Unordnung gebrachte Blut nach Stille, fruchtlos iſt es, daß die letzten Kohlen der Entzündung in ſich verglimmen möchten — es hilft Alles nichts, beſucht wird, gefragt wird nach dem Befinden, unterhalten wird, vorgeleſen wird, ſo- genannte kleine Freuden werden bereitet und voll Verzweiflung ſieht man das Schlachtopfer der Liebe, was man geſtern voll guter Hoffnung verließ, heute elend wieder. Deßhalb ſterben auch in Pri- vathäuſern verhältnißmäßig mehr Menſchen als in wohlbeaufſichtigten Lazarethen. Und darum pflege ich auf Kranke mit Umgebungen voll Liebe und Theilnahme, die ich nicht abhalten kann, von vorne herein doppelt ſo viel Zeit zu rechnen, als auf Kranke ohne liebevolle Umgebungen. Hier nun —
Es iſt doch abſcheulich, über die edelſten Em- pfindungen ſo zu ſpotten! rief Clelia heftig.
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Leidenden wohl ruhig liegen und behandelt ihn
vernünftig, aber ſpäterhin, wenn es nun heißt, er
beſſere ſich, oder er ſei Reconvalescent, da beginnt
ein wahrer Cultus des Krankenzimmers, in den
Augen des gewiſſenhaften Arztes der ſchlimmſte
Teufelsdienſt. Vergebens rufen die müden und
zitternden Nerven: Laßt uns in Frieden! Umſonſt
ſehnt ſich das in Unordnung gebrachte Blut nach
Stille, fruchtlos iſt es, daß die letzten Kohlen der
Entzündung in ſich verglimmen möchten — es hilft
Alles nichts, beſucht wird, gefragt wird nach dem
Befinden, unterhalten wird, vorgeleſen wird, ſo-
genannte kleine Freuden werden bereitet und voll
Verzweiflung ſieht man das Schlachtopfer der Liebe,
was man geſtern voll guter Hoffnung verließ,
heute elend wieder. Deßhalb ſterben auch in Pri-
vathäuſern verhältnißmäßig mehr Menſchen als in
wohlbeaufſichtigten Lazarethen. Und darum pflege
ich auf Kranke mit Umgebungen voll Liebe und
Theilnahme, die ich nicht abhalten kann, von vorne
herein doppelt ſo viel Zeit zu rechnen, als auf
Kranke ohne liebevolle Umgebungen. Hier nun —
Es iſt doch abſcheulich, über die edelſten Em-
pfindungen ſo zu ſpotten! rief Clelia heftig.
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/203>, abgerufen am 24.11.2024.
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