wahrhaft lieb hatte. Auch der Oberamtmann, der in seinem Wagen den Leidenden nach der Stadt befördert hatte, zeigte eine große Anhänglichkeit. Tief betroffen waren der Diaconus und seine Frau gewesen. Lisbeth hatte anfangs viel geweint. Dann fiel es den Anderen auf, daß sie plötzlich die Gefaßteste, und wie es schien, Gleichgültigste von Allen wurde. Diese Verwandelung geschah nach einer Unterredung, die sie mit dem Arzte gehabt hatte. -- Sie wurde der Frau des Diaconus bei deren vermehrten Haussorgen sehr nützlich, und ein Geschäft hatte sie seit ihrem Eintritte in das Haus ausschließlich für sich in Anspruch genommen, die Bereitung alles dessen, was Oswald bedurfte. Ein zarter und stiller Verkehr waltete zwischen Beiden, ungeachtet daß Lisbeth, wie sich von selbst versteht, unter dem strengsten Banne des ärztlichen Verbotes befangen war. Sie sandte ihm mit dem leichten und kühlenden Tranke, welchen er genießen durfte, jederzeit die schönsten Blumen, die sie im Gar- ten fand. Er hielt diese sanften Boten in seiner Hand des Tages, und bei Nacht ruhten sie an seinem Herzen und von dieser Ruhestätte empfing Lisbeth sie am anderen Morgen wieder. -- Wenn die Haus-
wahrhaft lieb hatte. Auch der Oberamtmann, der in ſeinem Wagen den Leidenden nach der Stadt befördert hatte, zeigte eine große Anhänglichkeit. Tief betroffen waren der Diaconus und ſeine Frau geweſen. Lisbeth hatte anfangs viel geweint. Dann fiel es den Anderen auf, daß ſie plötzlich die Gefaßteſte, und wie es ſchien, Gleichgültigſte von Allen wurde. Dieſe Verwandelung geſchah nach einer Unterredung, die ſie mit dem Arzte gehabt hatte. — Sie wurde der Frau des Diaconus bei deren vermehrten Hausſorgen ſehr nützlich, und ein Geſchäft hatte ſie ſeit ihrem Eintritte in das Haus ausſchließlich für ſich in Anſpruch genommen, die Bereitung alles deſſen, was Oswald bedurfte. Ein zarter und ſtiller Verkehr waltete zwiſchen Beiden, ungeachtet daß Lisbeth, wie ſich von ſelbſt verſteht, unter dem ſtrengſten Banne des ärztlichen Verbotes befangen war. Sie ſandte ihm mit dem leichten und kühlenden Tranke, welchen er genießen durfte, jederzeit die ſchönſten Blumen, die ſie im Gar- ten fand. Er hielt dieſe ſanften Boten in ſeiner Hand des Tages, und bei Nacht ruhten ſie an ſeinem Herzen und von dieſer Ruheſtätte empfing Lisbeth ſie am anderen Morgen wieder. — Wenn die Haus-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0199"n="187"/>
wahrhaft lieb hatte. Auch der Oberamtmann, der<lb/>
in ſeinem Wagen den Leidenden nach der Stadt<lb/>
befördert hatte, zeigte eine große Anhänglichkeit.<lb/>
Tief betroffen waren der Diaconus und ſeine Frau<lb/>
geweſen. Lisbeth hatte anfangs viel geweint.<lb/>
Dann fiel es den Anderen auf, daß ſie plötzlich<lb/>
die Gefaßteſte, und wie es ſchien, Gleichgültigſte<lb/>
von Allen wurde. Dieſe Verwandelung geſchah nach<lb/>
einer Unterredung, die ſie mit dem Arzte gehabt<lb/>
hatte. — Sie wurde der Frau des Diaconus bei<lb/>
deren vermehrten Hausſorgen ſehr nützlich, und <hirendition="#g">ein</hi><lb/>
Geſchäft hatte ſie ſeit ihrem Eintritte in das<lb/>
Haus ausſchließlich für ſich in Anſpruch genommen,<lb/>
die Bereitung alles deſſen, was Oswald bedurfte.<lb/>
Ein zarter und ſtiller Verkehr waltete zwiſchen<lb/>
Beiden, ungeachtet daß Lisbeth, wie ſich von ſelbſt<lb/>
verſteht, unter dem ſtrengſten Banne des ärztlichen<lb/>
Verbotes befangen war. Sie ſandte ihm mit dem<lb/>
leichten und kühlenden Tranke, welchen er genießen<lb/>
durfte, jederzeit die ſchönſten Blumen, die ſie im Gar-<lb/>
ten fand. Er hielt dieſe ſanften Boten in ſeiner<lb/>
Hand des Tages, und bei Nacht ruhten ſie an ſeinem<lb/>
Herzen und von dieſer Ruheſtätte empfing Lisbeth<lb/>ſie am anderen Morgen wieder. — Wenn die Haus-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[187/0199]
wahrhaft lieb hatte. Auch der Oberamtmann, der
in ſeinem Wagen den Leidenden nach der Stadt
befördert hatte, zeigte eine große Anhänglichkeit.
Tief betroffen waren der Diaconus und ſeine Frau
geweſen. Lisbeth hatte anfangs viel geweint.
Dann fiel es den Anderen auf, daß ſie plötzlich
die Gefaßteſte, und wie es ſchien, Gleichgültigſte
von Allen wurde. Dieſe Verwandelung geſchah nach
einer Unterredung, die ſie mit dem Arzte gehabt
hatte. — Sie wurde der Frau des Diaconus bei
deren vermehrten Hausſorgen ſehr nützlich, und ein
Geſchäft hatte ſie ſeit ihrem Eintritte in das
Haus ausſchließlich für ſich in Anſpruch genommen,
die Bereitung alles deſſen, was Oswald bedurfte.
Ein zarter und ſtiller Verkehr waltete zwiſchen
Beiden, ungeachtet daß Lisbeth, wie ſich von ſelbſt
verſteht, unter dem ſtrengſten Banne des ärztlichen
Verbotes befangen war. Sie ſandte ihm mit dem
leichten und kühlenden Tranke, welchen er genießen
durfte, jederzeit die ſchönſten Blumen, die ſie im Gar-
ten fand. Er hielt dieſe ſanften Boten in ſeiner
Hand des Tages, und bei Nacht ruhten ſie an ſeinem
Herzen und von dieſer Ruheſtätte empfing Lisbeth
ſie am anderen Morgen wieder. — Wenn die Haus-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/199>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.