und sanftesten Weise. Traurig schaute sie in sein Gesicht, so viel sie vermochte. So ruhte er ganz von ihr umfangen und an sie gelehnt im Heilig- thume jungfräulicher Liebe und Bekümmerniß! Sie wußte nicht, was sie thun sollte, ihm seinen Schmerz zu erleichtern, sie hätte zur Quelle wer- den mögen, zum umspülenden Bade, wenn das ihm Linderung zu verschaffen vermocht hätte. Schluch- zend fragte sie ihn, ob er auch so bequem ruhe? und bat ihn dann inständigst nicht zu antworten, weil ihm das Sprechen schaden könne.
In der Tiefe dieser Noth empfand sie den heißesten Drang, sich mit ihm zu verständigen. Ach, schluchzte sie, mein Oswald, vergieb mir doch nur und fühle, daß du nicht sterben darfst! O mein Gott, du mußt ja nicht sterben, mußt's nicht, denn was sollte dann aus mir werden, wenn du stürbest?
Nicht wahr, Oswald, du stirbst nicht, du thust mir das nicht zu Leide? Ach, kannst du es mir denn so übel nehmen, daß ich ein ordentliches Mädchen bleiben will? Siehst du, mein Oswald, deine Frau mußte ich werden, deine ehrliche Frau und sonst nichts weiter! Denn wäre ich auf deine
und ſanfteſten Weiſe. Traurig ſchaute ſie in ſein Geſicht, ſo viel ſie vermochte. So ruhte er ganz von ihr umfangen und an ſie gelehnt im Heilig- thume jungfräulicher Liebe und Bekümmerniß! Sie wußte nicht, was ſie thun ſollte, ihm ſeinen Schmerz zu erleichtern, ſie hätte zur Quelle wer- den mögen, zum umſpülenden Bade, wenn das ihm Linderung zu verſchaffen vermocht hätte. Schluch- zend fragte ſie ihn, ob er auch ſo bequem ruhe? und bat ihn dann inſtändigſt nicht zu antworten, weil ihm das Sprechen ſchaden könne.
In der Tiefe dieſer Noth empfand ſie den heißeſten Drang, ſich mit ihm zu verſtändigen. Ach, ſchluchzte ſie, mein Oswald, vergieb mir doch nur und fühle, daß du nicht ſterben darfſt! O mein Gott, du mußt ja nicht ſterben, mußt’s nicht, denn was ſollte dann aus mir werden, wenn du ſtürbeſt?
Nicht wahr, Oswald, du ſtirbſt nicht, du thuſt mir das nicht zu Leide? Ach, kannſt du es mir denn ſo übel nehmen, daß ich ein ordentliches Mädchen bleiben will? Siehſt du, mein Oswald, deine Frau mußte ich werden, deine ehrliche Frau und ſonſt nichts weiter! Denn wäre ich auf deine
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und ſanfteſten Weiſe. Traurig ſchaute ſie in ſein
Geſicht, ſo viel ſie vermochte. So ruhte er ganz
von ihr umfangen und an ſie gelehnt im Heilig-
thume jungfräulicher Liebe und Bekümmerniß! Sie
wußte nicht, was ſie thun ſollte, ihm ſeinen
Schmerz zu erleichtern, ſie hätte zur Quelle wer-
den mögen, zum umſpülenden Bade, wenn das ihm
Linderung zu verſchaffen vermocht hätte. Schluch-
zend fragte ſie ihn, ob er auch ſo bequem ruhe?
und bat ihn dann inſtändigſt nicht zu antworten,
weil ihm das Sprechen ſchaden könne.
In der Tiefe dieſer Noth empfand ſie den
heißeſten Drang, ſich mit ihm zu verſtändigen.
Ach, ſchluchzte ſie, mein Oswald, vergieb mir
doch nur und fühle, daß du nicht ſterben darfſt!
O mein Gott, du mußt ja nicht ſterben, mußt’s
nicht, denn was ſollte dann aus mir werden, wenn
du ſtürbeſt?
Nicht wahr, Oswald, du ſtirbſt nicht, du
thuſt mir das nicht zu Leide? Ach, kannſt du es
mir denn ſo übel nehmen, daß ich ein ordentliches
Mädchen bleiben will? Siehſt du, mein Oswald,
deine Frau mußte ich werden, deine ehrliche Frau
und ſonſt nichts weiter! Denn wäre ich auf deine
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/178>, abgerufen am 25.11.2024.
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