schwache Hoffnung im letzten Winkel seines Her- zens flüsterte ihm zu: Nein, es ist nicht möglich, es muß eine Täuschung seyn, so hart kann dich der Herr nicht strafen. -- Doch da erschien in der Thüröffnung das Entsetzliche, die Harpye, die nun abermals auch diese Nachmahlzeit besudeln wollte, das Haupt der Gorgone wurde sichtbar, wirklich stand der tolle Kerl, der Agesilaus, in der Thüre, dießmal sogar mit einem Knotenstocke bewaffnet! Aufsprang der Küster, schleuderte dem Feinde, was er in der Hand hatte, in das Ant- litz, nämlich das Rindfleisch, und stürzte schreiend nach dem hinteren Theile des Häuschens, sich gegen die lehmerne Wand drückend und mit Augen, die fast aus ihren Kreisen schossen, nach seinem Gegner starrend. Der Schulmeister, von dieser Unver- nunft erzürnt und von dem Wurfe mit dem Rind- fleische auf das Empfindlichste beleidigt, verlor nun alle Geduld. Mit den Worten: Wenn du verfluchter Kerl nicht hören willst, so sollst du fühlen! sprang er, den dicken Knotenstock schwin- gend, in das Häuschen auf den Küster zu. Un- fehlbar würde er diesen jetzt für seine Meinung, er sei rasend, wie ein Rasender abgestraft haben, wenn
ſchwache Hoffnung im letzten Winkel ſeines Her- zens flüſterte ihm zu: Nein, es iſt nicht möglich, es muß eine Täuſchung ſeyn, ſo hart kann dich der Herr nicht ſtrafen. — Doch da erſchien in der Thüröffnung das Entſetzliche, die Harpye, die nun abermals auch dieſe Nachmahlzeit beſudeln wollte, das Haupt der Gorgone wurde ſichtbar, wirklich ſtand der tolle Kerl, der Ageſilaus, in der Thüre, dießmal ſogar mit einem Knotenſtocke bewaffnet! Aufſprang der Küſter, ſchleuderte dem Feinde, was er in der Hand hatte, in das Ant- litz, nämlich das Rindfleiſch, und ſtürzte ſchreiend nach dem hinteren Theile des Häuschens, ſich gegen die lehmerne Wand drückend und mit Augen, die faſt aus ihren Kreiſen ſchoſſen, nach ſeinem Gegner ſtarrend. Der Schulmeiſter, von dieſer Unver- nunft erzürnt und von dem Wurfe mit dem Rind- fleiſche auf das Empfindlichſte beleidigt, verlor nun alle Geduld. Mit den Worten: Wenn du verfluchter Kerl nicht hören willſt, ſo ſollſt du fühlen! ſprang er, den dicken Knotenſtock ſchwin- gend, in das Häuschen auf den Küſter zu. Un- fehlbar würde er dieſen jetzt für ſeine Meinung, er ſei raſend, wie ein Raſender abgeſtraft haben, wenn
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ſchwache Hoffnung im letzten Winkel ſeines Her-
zens flüſterte ihm zu: Nein, es iſt nicht möglich,
es muß eine Täuſchung ſeyn, ſo hart kann dich
der Herr nicht ſtrafen. — Doch da erſchien in
der Thüröffnung das Entſetzliche, die Harpye, die
nun abermals auch dieſe Nachmahlzeit beſudeln
wollte, das Haupt der Gorgone wurde ſichtbar,
wirklich ſtand der tolle Kerl, der Ageſilaus, in
der Thüre, dießmal ſogar mit einem Knotenſtocke
bewaffnet! Aufſprang der Küſter, ſchleuderte dem
Feinde, was er in der Hand hatte, in das Ant-
litz, nämlich das Rindfleiſch, und ſtürzte ſchreiend
nach dem hinteren Theile des Häuschens, ſich gegen
die lehmerne Wand drückend und mit Augen, die
faſt aus ihren Kreiſen ſchoſſen, nach ſeinem Gegner
ſtarrend. Der Schulmeiſter, von dieſer Unver-
nunft erzürnt und von dem Wurfe mit dem Rind-
fleiſche auf das Empfindlichſte beleidigt, verlor
nun alle Geduld. Mit den Worten: Wenn du
verfluchter Kerl nicht hören willſt, ſo ſollſt du
fühlen! ſprang er, den dicken Knotenſtock ſchwin-
gend, in das Häuschen auf den Küſter zu. Un-
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/172>, abgerufen am 24.11.2024.
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