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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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Mann giebt es wohl auf einer Hochzeit als den
Küster. Denn erst muß er singen und dann muß er
beten und über Tische die Augen aller Orten haben,
seinen zierlichen Spaß anbringen zur rechten Zeit
und in rechten Einschnitten, und abtrumpfen, wer
sich zu mausig macht und ermuntern, wer wie ein
Tuckmäuser dasitzt. Während dieser Amtshand-
lungen ißt und trinkt nun zwar ein Küster, was
er kann, aber auch nur gleichsam pflichtmäßig
schlingt er Alles hinunter, ohne rechtes Gefühl
von Speise und Trank. Weßhalb ich sagen darf,
daß mir von den mehreren hundert Hochzeiten,
denen ich beigewohnt habe, wenig Erinnerung ver-
blieben ist. Nun aber muß es nach meiner Ueber-
zeugung eine der schönsten Empfindungen seyn,
in voller Seelenruhe und in dankbarer Erhebung
zu Gott, dem Geber alles Guten, zugleich der
Festesspeise und Tränkung froh zu werden, zu
genießen und dabei der feierlichen Gelegenheit zu
denken, bei welcher man genießt, des Tages, an
welchem ein von Gott selbst gestifteter Stand sich
begründet. Diese aus Erbauung und Wohlgeschmack
zusammengesetzte Empfindung hätte ich gern schon
lange einmal gehabt, konnte aber wie gesagt auf

Mann giebt es wohl auf einer Hochzeit als den
Küſter. Denn erſt muß er ſingen und dann muß er
beten und über Tiſche die Augen aller Orten haben,
ſeinen zierlichen Spaß anbringen zur rechten Zeit
und in rechten Einſchnitten, und abtrumpfen, wer
ſich zu mauſig macht und ermuntern, wer wie ein
Tuckmäuſer daſitzt. Während dieſer Amtshand-
lungen ißt und trinkt nun zwar ein Küſter, was
er kann, aber auch nur gleichſam pflichtmäßig
ſchlingt er Alles hinunter, ohne rechtes Gefühl
von Speiſe und Trank. Weßhalb ich ſagen darf,
daß mir von den mehreren hundert Hochzeiten,
denen ich beigewohnt habe, wenig Erinnerung ver-
blieben iſt. Nun aber muß es nach meiner Ueber-
zeugung eine der ſchönſten Empfindungen ſeyn,
in voller Seelenruhe und in dankbarer Erhebung
zu Gott, dem Geber alles Guten, zugleich der
Feſtesſpeiſe und Tränkung froh zu werden, zu
genießen und dabei der feierlichen Gelegenheit zu
denken, bei welcher man genießt, des Tages, an
welchem ein von Gott ſelbſt geſtifteter Stand ſich
begründet. Dieſe aus Erbauung und Wohlgeſchmack
zuſammengeſetzte Empfindung hätte ich gern ſchon
lange einmal gehabt, konnte aber wie geſagt auf

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[156/0168] Mann giebt es wohl auf einer Hochzeit als den Küſter. Denn erſt muß er ſingen und dann muß er beten und über Tiſche die Augen aller Orten haben, ſeinen zierlichen Spaß anbringen zur rechten Zeit und in rechten Einſchnitten, und abtrumpfen, wer ſich zu mauſig macht und ermuntern, wer wie ein Tuckmäuſer daſitzt. Während dieſer Amtshand- lungen ißt und trinkt nun zwar ein Küſter, was er kann, aber auch nur gleichſam pflichtmäßig ſchlingt er Alles hinunter, ohne rechtes Gefühl von Speiſe und Trank. Weßhalb ich ſagen darf, daß mir von den mehreren hundert Hochzeiten, denen ich beigewohnt habe, wenig Erinnerung ver- blieben iſt. Nun aber muß es nach meiner Ueber- zeugung eine der ſchönſten Empfindungen ſeyn, in voller Seelenruhe und in dankbarer Erhebung zu Gott, dem Geber alles Guten, zugleich der Feſtesſpeiſe und Tränkung froh zu werden, zu genießen und dabei der feierlichen Gelegenheit zu denken, bei welcher man genießt, des Tages, an welchem ein von Gott ſelbſt geſtifteter Stand ſich begründet. Dieſe aus Erbauung und Wohlgeſchmack zuſammengeſetzte Empfindung hätte ich gern ſchon lange einmal gehabt, konnte aber wie geſagt auf

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/168>, abgerufen am 24.11.2024.