telstunde lang, ohne einander anzusehen, geschweige daß sie zusammen geredet hätten. Jeder blickte starr und fest vor sich hin. Zuletzt kam der alte Bauer, welcher mit dem Hofschulzen gesprochen hatte, der Frohnbote; nächst dem Besitzer des Oberhofes der Kundigste in den Sitten und Ge- bräuchen der Väter. Dieser stellte sich außerhalb des Kreises der Steine hin, auf seinen Knotenstock gestützt und nach der Gegend des Oberhofes hin- untersehend.
Von dieser Gegend kam nach einer Viertel- stunde der Hofschulze heraufgegangen, der Frei- graf. Neben ihm ging sein Eidam. Feiermässig war auch sein Anzug, aber gebückt und kummervoll sein Gang. Den Eidam ließ er an einer über hundert Schritte vom Freistuhl entfernten Stelle zurückbleiben, das Gesicht von diesem abgekehrt. Der Frohnbote ging dem Hofschulzen entgegen, führte ihn bis an den Kreis und sagte:
Herr Graf, mit Urlaub und mit Behagen Thue ich Euch fragen; Soll ich, Euer Knecht, Euch den Königsstuhl setzen, wie Recht?
Der Hofschulze erwiederte:
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telſtunde lang, ohne einander anzuſehen, geſchweige daß ſie zuſammen geredet hätten. Jeder blickte ſtarr und feſt vor ſich hin. Zuletzt kam der alte Bauer, welcher mit dem Hofſchulzen geſprochen hatte, der Frohnbote; nächſt dem Beſitzer des Oberhofes der Kundigſte in den Sitten und Ge- bräuchen der Väter. Dieſer ſtellte ſich außerhalb des Kreiſes der Steine hin, auf ſeinen Knotenſtock geſtützt und nach der Gegend des Oberhofes hin- unterſehend.
Von dieſer Gegend kam nach einer Viertel- ſtunde der Hofſchulze heraufgegangen, der Frei- graf. Neben ihm ging ſein Eidam. Feiermäſſig war auch ſein Anzug, aber gebückt und kummervoll ſein Gang. Den Eidam ließ er an einer über hundert Schritte vom Freiſtuhl entfernten Stelle zurückbleiben, das Geſicht von dieſem abgekehrt. Der Frohnbote ging dem Hofſchulzen entgegen, führte ihn bis an den Kreis und ſagte:
Herr Graf, mit Urlaub und mit Behagen Thue ich Euch fragen; Soll ich, Euer Knecht, Euch den Königsſtuhl ſetzen, wie Recht?
Der Hofſchulze erwiederte:
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telſtunde lang, ohne einander anzuſehen, geſchweige
daß ſie zuſammen geredet hätten. Jeder blickte
ſtarr und feſt vor ſich hin. Zuletzt kam der alte
Bauer, welcher mit dem Hofſchulzen geſprochen
hatte, der Frohnbote; nächſt dem Beſitzer des
Oberhofes der Kundigſte in den Sitten und Ge-
bräuchen der Väter. Dieſer ſtellte ſich außerhalb
des Kreiſes der Steine hin, auf ſeinen Knotenſtock
geſtützt und nach der Gegend des Oberhofes hin-
unterſehend.
Von dieſer Gegend kam nach einer Viertel-
ſtunde der Hofſchulze heraufgegangen, der Frei-
graf. Neben ihm ging ſein Eidam. Feiermäſſig
war auch ſein Anzug, aber gebückt und kummervoll
ſein Gang. Den Eidam ließ er an einer über
hundert Schritte vom Freiſtuhl entfernten Stelle
zurückbleiben, das Geſicht von dieſem abgekehrt.
Der Frohnbote ging dem Hofſchulzen entgegen,
führte ihn bis an den Kreis und ſagte:
Herr Graf, mit Urlaub und mit Behagen
Thue ich Euch fragen;
Soll ich, Euer Knecht,
Euch den Königsſtuhl ſetzen, wie Recht?
Der Hofſchulze erwiederte:
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/127>, abgerufen am 16.02.2025.
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