Der Küster hatte sich, da er seine Sache in guten Händen sah, aus Politik, um nicht persön- lich überrumpelt zu werden, auf einige Zeit vom Oberhofe entfernt. Er ging zwischen den Wall- hecken spazieren, und mit ihm ging einer der frem- den Hochzeitgäste, ein alter Schirrmeister, der im nächsten Postorte gerade seine zehn Ruhestunden genoß, und die Gelegenheit nicht hatte vorbeigehen lassen wollen, vom Hochzeitbraten zu kosten -- ein weitläuftiger Anverwandter des Hofschulzen. Er gehörte zu den ausgedienten Kriegsknechten, die nach vielen Mühen und Strapazen einen sogenann- ten Ruheposten bekommen. Der Ruheposten unse- res Schirrmeisters gestattete ihm viermal im Monat sein Bette aufzusuchen, sonst lag er bei Nacht und bei Tage auf der Landstraße. Er hatte so viel Kupfer auf der Nase, als ein rechtschaffener Schirrmeister haben muß, war ein Fünfziger, d. h. hoch in den Fünfzigen, rüstig und wacker, und litt nur von seinen Feldzügen her an der Gicht, die ihn zuweilen ganz contract machte.
Der Küster und der Schirrmeister unterhielten sich in dieser Zwischenzeit vor Tische vom mensch- lichen Leben und vom höchsten Gute. -- Wenn man
Der Küſter hatte ſich, da er ſeine Sache in guten Händen ſah, aus Politik, um nicht perſön- lich überrumpelt zu werden, auf einige Zeit vom Oberhofe entfernt. Er ging zwiſchen den Wall- hecken ſpazieren, und mit ihm ging einer der frem- den Hochzeitgäſte, ein alter Schirrmeiſter, der im nächſten Poſtorte gerade ſeine zehn Ruheſtunden genoß, und die Gelegenheit nicht hatte vorbeigehen laſſen wollen, vom Hochzeitbraten zu koſten — ein weitläuftiger Anverwandter des Hofſchulzen. Er gehörte zu den ausgedienten Kriegsknechten, die nach vielen Mühen und Strapazen einen ſogenann- ten Ruhepoſten bekommen. Der Ruhepoſten unſe- res Schirrmeiſters geſtattete ihm viermal im Monat ſein Bette aufzuſuchen, ſonſt lag er bei Nacht und bei Tage auf der Landſtraße. Er hatte ſo viel Kupfer auf der Naſe, als ein rechtſchaffener Schirrmeiſter haben muß, war ein Fünfziger, d. h. hoch in den Fünfzigen, rüſtig und wacker, und litt nur von ſeinen Feldzügen her an der Gicht, die ihn zuweilen ganz contract machte.
Der Küſter und der Schirrmeiſter unterhielten ſich in dieſer Zwiſchenzeit vor Tiſche vom menſch- lichen Leben und vom höchſten Gute. — Wenn man
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0098"n="84"/><p>Der Küſter hatte ſich, da er ſeine Sache in<lb/>
guten Händen ſah, aus Politik, um nicht perſön-<lb/>
lich überrumpelt zu werden, auf einige Zeit vom<lb/>
Oberhofe entfernt. Er ging zwiſchen den Wall-<lb/>
hecken ſpazieren, und mit ihm ging einer der frem-<lb/>
den Hochzeitgäſte, ein alter Schirrmeiſter, der im<lb/>
nächſten Poſtorte gerade ſeine zehn Ruheſtunden<lb/>
genoß, und die Gelegenheit nicht hatte vorbeigehen<lb/>
laſſen wollen, vom Hochzeitbraten zu koſten — ein<lb/>
weitläuftiger Anverwandter des Hofſchulzen. Er<lb/>
gehörte zu den ausgedienten Kriegsknechten, die<lb/>
nach vielen Mühen und Strapazen einen ſogenann-<lb/>
ten Ruhepoſten bekommen. Der Ruhepoſten unſe-<lb/>
res Schirrmeiſters geſtattete ihm viermal im<lb/>
Monat ſein Bette aufzuſuchen, ſonſt lag er bei<lb/>
Nacht und bei Tage auf der Landſtraße. Er hatte<lb/>ſo viel Kupfer auf der Naſe, als ein rechtſchaffener<lb/>
Schirrmeiſter haben muß, war ein Fünfziger, d. h.<lb/>
hoch in den Fünfzigen, rüſtig und wacker, und litt<lb/>
nur von ſeinen Feldzügen her an der Gicht, die<lb/>
ihn zuweilen ganz contract machte.</p><lb/><p>Der Küſter und der Schirrmeiſter unterhielten<lb/>ſich in dieſer Zwiſchenzeit vor Tiſche vom menſch-<lb/>
lichen Leben und vom höchſten Gute. — Wenn man<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[84/0098]
Der Küſter hatte ſich, da er ſeine Sache in
guten Händen ſah, aus Politik, um nicht perſön-
lich überrumpelt zu werden, auf einige Zeit vom
Oberhofe entfernt. Er ging zwiſchen den Wall-
hecken ſpazieren, und mit ihm ging einer der frem-
den Hochzeitgäſte, ein alter Schirrmeiſter, der im
nächſten Poſtorte gerade ſeine zehn Ruheſtunden
genoß, und die Gelegenheit nicht hatte vorbeigehen
laſſen wollen, vom Hochzeitbraten zu koſten — ein
weitläuftiger Anverwandter des Hofſchulzen. Er
gehörte zu den ausgedienten Kriegsknechten, die
nach vielen Mühen und Strapazen einen ſogenann-
ten Ruhepoſten bekommen. Der Ruhepoſten unſe-
res Schirrmeiſters geſtattete ihm viermal im
Monat ſein Bette aufzuſuchen, ſonſt lag er bei
Nacht und bei Tage auf der Landſtraße. Er hatte
ſo viel Kupfer auf der Naſe, als ein rechtſchaffener
Schirrmeiſter haben muß, war ein Fünfziger, d. h.
hoch in den Fünfzigen, rüſtig und wacker, und litt
nur von ſeinen Feldzügen her an der Gicht, die
ihn zuweilen ganz contract machte.
Der Küſter und der Schirrmeiſter unterhielten
ſich in dieſer Zwiſchenzeit vor Tiſche vom menſch-
lichen Leben und vom höchſten Gute. — Wenn man
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/98>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.