men Bauern, sagte er, und sind keine anderen Ringe zur Hand, so nehmen wir sie vom Sargschmuck, denn das Leben ist stärker als der Tod. -- Nun gehe ich, seufzte sie athmend und wankte. Ihr Busen flog, daß das Mieder wild bewegt wurde.
Aber schon hatten seine starken Arme sie um- strickt und aufgehoben und vor den Altar getra- gen. Dort ließ er sie nieder, die halbohnmächtig an seiner Brust lag, und stammelte schluchzend vor Liebesweh und Liebeszorn: Lisbeth! Liebe! Einzige! Entsetzliche! Feindin! Räuberin! Vergieb mir! Willst du mein Du seyn? Mein ewiges, süßes Du?
Sie antwortete nicht. Ihr Herz schlug an seinem, sie schmiegte sich ihm an, als wollte sie mit ihm verwachsen. Ihre Thränen flossen auf seine Brust. Nun hob er ihr Haupt empor, und die Lippen fan- den sich. In diesem Kusse standen sie lange, lange.
Dann zog er sie sanft neben sich auf die Kniee nieder, und Beide erhoben vor dem Altare betend die Hände. Sie konnten aber nichts vorbringen als: Vater! lieber Vater im Himmel! Und das wurden sie nicht müde, mit wonnezitternder Stimme zu rufen. Sie riefen es so zutraulich, als ob der Vater, den sie meinten, thnen die Hand reiche.
men Bauern, ſagte er, und ſind keine anderen Ringe zur Hand, ſo nehmen wir ſie vom Sargſchmuck, denn das Leben iſt ſtärker als der Tod. — Nun gehe ich, ſeufzte ſie athmend und wankte. Ihr Buſen flog, daß das Mieder wild bewegt wurde.
Aber ſchon hatten ſeine ſtarken Arme ſie um- ſtrickt und aufgehoben und vor den Altar getra- gen. Dort ließ er ſie nieder, die halbohnmächtig an ſeiner Bruſt lag, und ſtammelte ſchluchzend vor Liebesweh und Liebeszorn: Lisbeth! Liebe! Einzige! Entſetzliche! Feindin! Räuberin! Vergieb mir! Willſt du mein Du ſeyn? Mein ewiges, ſüßes Du?
Sie antwortete nicht. Ihr Herz ſchlug an ſeinem, ſie ſchmiegte ſich ihm an, als wollte ſie mit ihm verwachſen. Ihre Thränen floſſen auf ſeine Bruſt. Nun hob er ihr Haupt empor, und die Lippen fan- den ſich. In dieſem Kuſſe ſtanden ſie lange, lange.
Dann zog er ſie ſanft neben ſich auf die Kniee nieder, und Beide erhoben vor dem Altare betend die Hände. Sie konnten aber nichts vorbringen als: Vater! lieber Vater im Himmel! Und das wurden ſie nicht müde, mit wonnezitternder Stimme zu rufen. Sie riefen es ſo zutraulich, als ob der Vater, den ſie meinten, thnen die Hand reiche.
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men Bauern, ſagte er, und ſind keine anderen Ringe
zur Hand, ſo nehmen wir ſie vom Sargſchmuck,
denn das Leben iſt ſtärker als der Tod. — Nun
gehe ich, ſeufzte ſie athmend und wankte. Ihr
Buſen flog, daß das Mieder wild bewegt wurde.
Aber ſchon hatten ſeine ſtarken Arme ſie um-
ſtrickt und aufgehoben und vor den Altar getra-
gen. Dort ließ er ſie nieder, die halbohnmächtig
an ſeiner Bruſt lag, und ſtammelte ſchluchzend vor
Liebesweh und Liebeszorn: Lisbeth! Liebe! Einzige!
Entſetzliche! Feindin! Räuberin! Vergieb mir!
Willſt du mein Du ſeyn? Mein ewiges, ſüßes Du?
Sie antwortete nicht. Ihr Herz ſchlug an ſeinem,
ſie ſchmiegte ſich ihm an, als wollte ſie mit ihm
verwachſen. Ihre Thränen floſſen auf ſeine Bruſt.
Nun hob er ihr Haupt empor, und die Lippen fan-
den ſich. In dieſem Kuſſe ſtanden ſie lange, lange.
Dann zog er ſie ſanft neben ſich auf die Kniee
nieder, und Beide erhoben vor dem Altare betend
die Hände. Sie konnten aber nichts vorbringen
als: Vater! lieber Vater im Himmel! Und das
wurden ſie nicht müde, mit wonnezitternder Stimme
zu rufen. Sie riefen es ſo zutraulich, als ob der
Vater, den ſie meinten, thnen die Hand reiche.
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/91>, abgerufen am 24.11.2024.
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