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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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die ihm seine schöne Mutter zeigten und sein wei-
ßes Schloß auf grünem Berge und ihn und noch
Jemand in dem Schlosse.

Lisbeth war in ihrem fremdartigen Anzuge ver-
legen und scheu hinter der Braut hergegangen.
Ach, dachte sie, in dem Augenblicke, wo der gute
Mensch von mir sagt, ich wäre immer natürlich,
muß ich geborgte Kleider tragen. Sie sehnte sich
in die ihrigen zurück. Die Bauern, die Leute aus
der Stadt hörte sie hinter sich zischelnd ihren
Namen nennen, der vornehme Herr, welcher vor
der Kirche dem Zuge entgegentrat, besah sie lange
prüfend durch seine Lorgnette. Das Alles mußte
sie erleiden, als sie eben so schön besungen worden
war, als ihr Herz von Freude und Entzücken
überfluthete. Sie trat halbbetäubt in die Kirche
ein und nahm sich vor, bei dem Rückwege von
dem Zuge zu bleiben, damit sie auf keine Weise
wieder der Gegenstand des Gesprächs oder gar der
Scherze werde, über welche sie sich seit einer Vier-
telstunde weit hinaus fühlte. Auch sie hörte von
der Rede wenig, so sehr sie sich zwang, dem Vor-
trage ihres verehrten geistlichen Freundes zu fol-
gen. Und als die Ringe gewechselt wurden, da

die ihm ſeine ſchöne Mutter zeigten und ſein wei-
ßes Schloß auf grünem Berge und ihn und noch
Jemand in dem Schloſſe.

Lisbeth war in ihrem fremdartigen Anzuge ver-
legen und ſcheu hinter der Braut hergegangen.
Ach, dachte ſie, in dem Augenblicke, wo der gute
Menſch von mir ſagt, ich wäre immer natürlich,
muß ich geborgte Kleider tragen. Sie ſehnte ſich
in die ihrigen zurück. Die Bauern, die Leute aus
der Stadt hörte ſie hinter ſich ziſchelnd ihren
Namen nennen, der vornehme Herr, welcher vor
der Kirche dem Zuge entgegentrat, beſah ſie lange
prüfend durch ſeine Lorgnette. Das Alles mußte
ſie erleiden, als ſie eben ſo ſchön beſungen worden
war, als ihr Herz von Freude und Entzücken
überfluthete. Sie trat halbbetäubt in die Kirche
ein und nahm ſich vor, bei dem Rückwege von
dem Zuge zu bleiben, damit ſie auf keine Weiſe
wieder der Gegenſtand des Geſprächs oder gar der
Scherze werde, über welche ſie ſich ſeit einer Vier-
telſtunde weit hinaus fühlte. Auch ſie hörte von
der Rede wenig, ſo ſehr ſie ſich zwang, dem Vor-
trage ihres verehrten geiſtlichen Freundes zu fol-
gen. Und als die Ringe gewechſelt wurden, da

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[72/0086] die ihm ſeine ſchöne Mutter zeigten und ſein wei- ßes Schloß auf grünem Berge und ihn und noch Jemand in dem Schloſſe. Lisbeth war in ihrem fremdartigen Anzuge ver- legen und ſcheu hinter der Braut hergegangen. Ach, dachte ſie, in dem Augenblicke, wo der gute Menſch von mir ſagt, ich wäre immer natürlich, muß ich geborgte Kleider tragen. Sie ſehnte ſich in die ihrigen zurück. Die Bauern, die Leute aus der Stadt hörte ſie hinter ſich ziſchelnd ihren Namen nennen, der vornehme Herr, welcher vor der Kirche dem Zuge entgegentrat, beſah ſie lange prüfend durch ſeine Lorgnette. Das Alles mußte ſie erleiden, als ſie eben ſo ſchön beſungen worden war, als ihr Herz von Freude und Entzücken überfluthete. Sie trat halbbetäubt in die Kirche ein und nahm ſich vor, bei dem Rückwege von dem Zuge zu bleiben, damit ſie auf keine Weiſe wieder der Gegenſtand des Geſprächs oder gar der Scherze werde, über welche ſie ſich ſeit einer Vier- telſtunde weit hinaus fühlte. Auch ſie hörte von der Rede wenig, ſo ſehr ſie ſich zwang, dem Vor- trage ihres verehrten geiſtlichen Freundes zu fol- gen. Und als die Ringe gewechſelt wurden, da

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/86>, abgerufen am 24.11.2024.