aber, bevor er dieselbe erreichte, gewiß über hun- dert Schläge empfangen, und kam so, wacker zer- bläut an seinem Ehrentage aus dem Heiligthume. Alles lief ihm nach; der Brautvater, die Braut folgten, der Küster schloß unmittelbar hinter dem Letzten die Thüre ab und verfügte sich in die Sa- kristei, welche einen besonderen Ausgang in das Freie hatte. In wenigen Secunden war die Kirche leer geworden.
Noch stand indessen der vornehme Herr auf der Kanzel. Der Diaconus aber stand vor dem Altare, sich gegen den Vornehmen mit freundli- chem Lächeln verbeugend. Dieser hatte, als er auf seinem Felsen Ararat sah, daß die Prügel nicht ihm zugedacht waren, beruhigt die Arme sinken lassen, und fragte, als jetzt Stille eingetreten war, den Diaconus: Sagen Sie mir um des Himmels willen, Herr Prediger, was bedeutete dieser wü- thende Auftritt und was hatte der arme Mensch seinen Angreifern gethan?
Nichts, Ew. Excellenz, versetzte der Diaconus, der ungeachtet der Würde des Orts Mühe hatte, ein Lachen über den Höfling auf der Kanzel zu verbeißen. Dieses Abklopfen des Bräutigams nach
aber, bevor er dieſelbe erreichte, gewiß über hun- dert Schläge empfangen, und kam ſo, wacker zer- bläut an ſeinem Ehrentage aus dem Heiligthume. Alles lief ihm nach; der Brautvater, die Braut folgten, der Küſter ſchloß unmittelbar hinter dem Letzten die Thüre ab und verfügte ſich in die Sa- kriſtei, welche einen beſonderen Ausgang in das Freie hatte. In wenigen Secunden war die Kirche leer geworden.
Noch ſtand indeſſen der vornehme Herr auf der Kanzel. Der Diaconus aber ſtand vor dem Altare, ſich gegen den Vornehmen mit freundli- chem Lächeln verbeugend. Dieſer hatte, als er auf ſeinem Felſen Ararat ſah, daß die Prügel nicht ihm zugedacht waren, beruhigt die Arme ſinken laſſen, und fragte, als jetzt Stille eingetreten war, den Diaconus: Sagen Sie mir um des Himmels willen, Herr Prediger, was bedeutete dieſer wü- thende Auftritt und was hatte der arme Menſch ſeinen Angreifern gethan?
Nichts, Ew. Excellenz, verſetzte der Diaconus, der ungeachtet der Würde des Orts Mühe hatte, ein Lachen über den Höfling auf der Kanzel zu verbeißen. Dieſes Abklopfen des Bräutigams nach
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aber, bevor er dieſelbe erreichte, gewiß über hun-
dert Schläge empfangen, und kam ſo, wacker zer-
bläut an ſeinem Ehrentage aus dem Heiligthume.
Alles lief ihm nach; der Brautvater, die Braut
folgten, der Küſter ſchloß unmittelbar hinter dem
Letzten die Thüre ab und verfügte ſich in die Sa-
kriſtei, welche einen beſonderen Ausgang in das
Freie hatte. In wenigen Secunden war die
Kirche leer geworden.
Noch ſtand indeſſen der vornehme Herr auf
der Kanzel. Der Diaconus aber ſtand vor dem
Altare, ſich gegen den Vornehmen mit freundli-
chem Lächeln verbeugend. Dieſer hatte, als er auf
ſeinem Felſen Ararat ſah, daß die Prügel nicht
ihm zugedacht waren, beruhigt die Arme ſinken
laſſen, und fragte, als jetzt Stille eingetreten war,
den Diaconus: Sagen Sie mir um des Himmels
willen, Herr Prediger, was bedeutete dieſer wü-
thende Auftritt und was hatte der arme Menſch
ſeinen Angreifern gethan?
Nichts, Ew. Excellenz, verſetzte der Diaconus,
der ungeachtet der Würde des Orts Mühe hatte,
ein Lachen über den Höfling auf der Kanzel zu
verbeißen. Dieſes Abklopfen des Bräutigams nach
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/82>, abgerufen am 24.11.2024.
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