erzählte ihr von den schwäbischen Bergen, von dem grünen Neckar, von der Alb, vom Murgthale und von dem Berge Hohenstaufen, auf dem das große Kaisergeschlecht entsprossen sei, dessen Thaten er ihr auch erzählte. Dann sprach er von der gro- ßen Stadt, worin er studirt habe, und von den vielen klugen Leuten, die ihm dort bekannt gewor- den seien. Und endlich erzählte er ihr von seiner Mutter, wie er diese so zärtlich lieb gehabt habe, und wie es daher wohl kommen möge, daß ihm nachher jede Frau theuer und werth erschienen sei, weil er bei jeder an seine selige Mutter gedacht habe.
Die Lisbeth mußte dagegen von ihrem einfachen Leben erzählen. Darin kamen keine großen Städte und keine klugen Leute vor und -- auch keine Mutter! -- Und dennoch meinte er, nie etwas Schö- neres gehört zu haben. Denn jede niedere Pflicht, die sie geleistet, hatte sie durch Liebe geadelt, und von dem Fräulein und dem alten Herrn Baron wußte sie tausend rührende Züge anzugeben, auf allen Plätzen im Schloßgarten und hinter demsel- ben waren ihr Geschichten begegnet, und aus den Büchern, die sie sich verstohlen vom Söller geholt,
erzählte ihr von den ſchwäbiſchen Bergen, von dem grünen Neckar, von der Alb, vom Murgthale und von dem Berge Hohenſtaufen, auf dem das große Kaiſergeſchlecht entſproſſen ſei, deſſen Thaten er ihr auch erzählte. Dann ſprach er von der gro- ßen Stadt, worin er ſtudirt habe, und von den vielen klugen Leuten, die ihm dort bekannt gewor- den ſeien. Und endlich erzählte er ihr von ſeiner Mutter, wie er dieſe ſo zärtlich lieb gehabt habe, und wie es daher wohl kommen möge, daß ihm nachher jede Frau theuer und werth erſchienen ſei, weil er bei jeder an ſeine ſelige Mutter gedacht habe.
Die Lisbeth mußte dagegen von ihrem einfachen Leben erzählen. Darin kamen keine großen Städte und keine klugen Leute vor und — auch keine Mutter! — Und dennoch meinte er, nie etwas Schö- neres gehört zu haben. Denn jede niedere Pflicht, die ſie geleiſtet, hatte ſie durch Liebe geadelt, und von dem Fräulein und dem alten Herrn Baron wußte ſie tauſend rührende Züge anzugeben, auf allen Plätzen im Schloßgarten und hinter demſel- ben waren ihr Geſchichten begegnet, und aus den Büchern, die ſie ſich verſtohlen vom Söller geholt,
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erzählte ihr von den ſchwäbiſchen Bergen, von dem
grünen Neckar, von der Alb, vom Murgthale und
von dem Berge Hohenſtaufen, auf dem das große
Kaiſergeſchlecht entſproſſen ſei, deſſen Thaten er
ihr auch erzählte. Dann ſprach er von der gro-
ßen Stadt, worin er ſtudirt habe, und von den
vielen klugen Leuten, die ihm dort bekannt gewor-
den ſeien. Und endlich erzählte er ihr von ſeiner
Mutter, wie er dieſe ſo zärtlich lieb gehabt habe,
und wie es daher wohl kommen möge, daß ihm
nachher jede Frau theuer und werth erſchienen ſei,
weil er bei jeder an ſeine ſelige Mutter gedacht
habe.
Die Lisbeth mußte dagegen von ihrem einfachen
Leben erzählen. Darin kamen keine großen Städte
und keine klugen Leute vor und — auch keine
Mutter! — Und dennoch meinte er, nie etwas Schö-
neres gehört zu haben. Denn jede niedere Pflicht,
die ſie geleiſtet, hatte ſie durch Liebe geadelt, und
von dem Fräulein und dem alten Herrn Baron
wußte ſie tauſend rührende Züge anzugeben, auf
allen Plätzen im Schloßgarten und hinter demſel-
ben waren ihr Geſchichten begegnet, und aus den
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/61>, abgerufen am 24.11.2024.
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