Während das Ceremoniell so durch den ganzen Oberhof waltete, waren auf dem Zimmer, welches der wilde Jäger früher bewohnt hatte, zwei junge Leute ohne alles Ceremoniell beisammen. Vier warme Wangen hielten keine bestimmte Farbe, sondern spielten bald in Purpur, bald in Rosen- röthe, bald in einem fliegenden Bleich; vier blaue Augen suchten einander, und wenn sie sich gefunden, zogen sie, wie erschrocken über ihr Wagniß, den Vorhang der Wimpern vor sich nieder; zwei Lip- penpaare hätten gern gemeinsame Beschäftigung vorgenommen; da diese ihnen aber noch versagt war, so zuckten sie für sich in wundersamer, unru- higer Thätigkeit, die des eigentlichen Ziels entbehrte.
Das junge Mädchen saß am Fenstertischchen und säumte ein schönes Tüchlein, welches der Jüng-
Viertes Capitel. Der Jäger und ſein Wild.
Während das Ceremoniell ſo durch den ganzen Oberhof waltete, waren auf dem Zimmer, welches der wilde Jäger früher bewohnt hatte, zwei junge Leute ohne alles Ceremoniell beiſammen. Vier warme Wangen hielten keine beſtimmte Farbe, ſondern ſpielten bald in Purpur, bald in Roſen- röthe, bald in einem fliegenden Bleich; vier blaue Augen ſuchten einander, und wenn ſie ſich gefunden, zogen ſie, wie erſchrocken über ihr Wagniß, den Vorhang der Wimpern vor ſich nieder; zwei Lip- penpaare hätten gern gemeinſame Beſchäftigung vorgenommen; da dieſe ihnen aber noch verſagt war, ſo zuckten ſie für ſich in wunderſamer, unru- higer Thätigkeit, die des eigentlichen Ziels entbehrte.
Das junge Mädchen ſaß am Fenſtertiſchchen und ſäumte ein ſchönes Tüchlein, welches der Jüng-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0051"n="37"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Viertes Capitel</hi>.<lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><hirendition="#g">Der Jäger und ſein Wild</hi>.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Während das Ceremoniell ſo durch den ganzen<lb/>
Oberhof waltete, waren auf dem Zimmer, welches<lb/>
der wilde Jäger früher bewohnt hatte, zwei junge<lb/>
Leute ohne alles Ceremoniell beiſammen. Vier<lb/>
warme Wangen hielten keine beſtimmte Farbe,<lb/>ſondern ſpielten bald in Purpur, bald in Roſen-<lb/>
röthe, bald in einem fliegenden Bleich; vier blaue<lb/>
Augen ſuchten einander, und wenn ſie ſich gefunden,<lb/>
zogen ſie, wie erſchrocken über ihr Wagniß, den<lb/>
Vorhang der Wimpern vor ſich nieder; zwei Lip-<lb/>
penpaare hätten gern gemeinſame Beſchäftigung<lb/>
vorgenommen; da dieſe ihnen aber noch verſagt<lb/>
war, ſo zuckten ſie für ſich in wunderſamer, unru-<lb/>
higer Thätigkeit, die des eigentlichen Ziels entbehrte.</p><lb/><p>Das junge Mädchen ſaß am Fenſtertiſchchen<lb/>
und ſäumte ein ſchönes Tüchlein, welches der Jüng-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[37/0051]
Viertes Capitel.
Der Jäger und ſein Wild.
Während das Ceremoniell ſo durch den ganzen
Oberhof waltete, waren auf dem Zimmer, welches
der wilde Jäger früher bewohnt hatte, zwei junge
Leute ohne alles Ceremoniell beiſammen. Vier
warme Wangen hielten keine beſtimmte Farbe,
ſondern ſpielten bald in Purpur, bald in Roſen-
röthe, bald in einem fliegenden Bleich; vier blaue
Augen ſuchten einander, und wenn ſie ſich gefunden,
zogen ſie, wie erſchrocken über ihr Wagniß, den
Vorhang der Wimpern vor ſich nieder; zwei Lip-
penpaare hätten gern gemeinſame Beſchäftigung
vorgenommen; da dieſe ihnen aber noch verſagt
war, ſo zuckten ſie für ſich in wunderſamer, unru-
higer Thätigkeit, die des eigentlichen Ziels entbehrte.
Das junge Mädchen ſaß am Fenſtertiſchchen
und ſäumte ein ſchönes Tüchlein, welches der Jüng-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/51>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.