Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte ihn zugeknöpft und sah daher aus wie eine
Wurst. Dieser Rock und die plötzliche Frage
machte die Bauern stutzen; sie stießen einander an,
flüsterten, aber Niemand gab eine Antwort.

Ist hier Niemand unter Euch, der eine Art
von Amt bekleidet? wiederholte der Oberamtmann,
schärfer betonend.

Der Chirurgus trat vor, denn seine Ehre er-
laubte ihm nicht, auf eine so bestimmte Frage
anonym zu bleiben. Er war sich zwar bewußt, keiner-
lei Staatsexamen gemacht zu haben und mitunter in
Nothfällen auch zu rasiren; das schadete aber dem
Gefühle seiner Würde nicht und trotzig, das Che-
miset aus der Weste zerrend, sagte er: Aller-
dings habe ich ein Amt in dieser Gemeine, nicht
eine Art von Amt, sondern ein Amt.

So geht, Freund, jener Person nach und
bringt sie zum Vorsteher, damit sie nach ihren Pa-
pieren befragt werde, denn ihr Anzug und ihr gan-
zes Betragen war höchst auffallend, und das Paß-
reglement schreibt vor, auf solche Verdacht erregende
Individuen überall Augenmerk zu haben.

Freundschaft, versetzte der Chirurgus mit dem
landüblichen Ausdrucke, ich verstehe Euch nicht.


hatte ihn zugeknöpft und ſah daher aus wie eine
Wurſt. Dieſer Rock und die plötzliche Frage
machte die Bauern ſtutzen; ſie ſtießen einander an,
flüſterten, aber Niemand gab eine Antwort.

Iſt hier Niemand unter Euch, der eine Art
von Amt bekleidet? wiederholte der Oberamtmann,
ſchärfer betonend.

Der Chirurgus trat vor, denn ſeine Ehre er-
laubte ihm nicht, auf eine ſo beſtimmte Frage
anonym zu bleiben. Er war ſich zwar bewußt, keiner-
lei Staatsexamen gemacht zu haben und mitunter in
Nothfällen auch zu raſiren; das ſchadete aber dem
Gefühle ſeiner Würde nicht und trotzig, das Che-
miſet aus der Weſte zerrend, ſagte er: Aller-
dings habe ich ein Amt in dieſer Gemeine, nicht
eine Art von Amt, ſondern ein Amt.

So geht, Freund, jener Perſon nach und
bringt ſie zum Vorſteher, damit ſie nach ihren Pa-
pieren befragt werde, denn ihr Anzug und ihr gan-
zes Betragen war höchſt auffallend, und das Paß-
reglement ſchreibt vor, auf ſolche Verdacht erregende
Individuen überall Augenmerk zu haben.

Freundſchaft, verſetzte der Chirurgus mit dem
landüblichen Ausdrucke, ich verſtehe Euch nicht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0429" n="415"/>
hatte ihn zugeknöpft und &#x017F;ah daher aus wie eine<lb/>
Wur&#x017F;t. Die&#x017F;er Rock und die plötzliche Frage<lb/>
machte die Bauern &#x017F;tutzen; &#x017F;ie &#x017F;tießen einander an,<lb/>
flü&#x017F;terten, aber Niemand gab eine Antwort.</p><lb/>
        <p>I&#x017F;t hier Niemand unter Euch, der eine Art<lb/>
von Amt bekleidet? wiederholte der Oberamtmann,<lb/>
&#x017F;chärfer betonend.</p><lb/>
        <p>Der Chirurgus trat vor, denn &#x017F;eine Ehre er-<lb/>
laubte ihm nicht, auf eine &#x017F;o be&#x017F;timmte Frage<lb/>
anonym zu bleiben. Er war &#x017F;ich zwar bewußt, keiner-<lb/>
lei Staatsexamen gemacht zu haben und mitunter in<lb/>
Nothfällen auch zu ra&#x017F;iren; das &#x017F;chadete aber dem<lb/>
Gefühle &#x017F;einer Würde nicht und trotzig, das Che-<lb/>
mi&#x017F;et aus der We&#x017F;te zerrend, &#x017F;agte er: Aller-<lb/>
dings habe ich ein Amt in die&#x017F;er Gemeine, nicht<lb/>
eine Art von Amt, &#x017F;ondern ein Amt.</p><lb/>
        <p>So geht, Freund, jener Per&#x017F;on nach und<lb/>
bringt &#x017F;ie zum Vor&#x017F;teher, damit &#x017F;ie nach ihren Pa-<lb/>
pieren befragt werde, denn ihr Anzug und ihr gan-<lb/>
zes Betragen war höch&#x017F;t auffallend, und das Paß-<lb/>
reglement &#x017F;chreibt vor, auf &#x017F;olche Verdacht erregende<lb/>
Individuen überall Augenmerk zu haben.</p><lb/>
        <p>Freund&#x017F;chaft, ver&#x017F;etzte der Chirurgus mit dem<lb/>
landüblichen Ausdrucke, ich ver&#x017F;tehe Euch nicht.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[415/0429] hatte ihn zugeknöpft und ſah daher aus wie eine Wurſt. Dieſer Rock und die plötzliche Frage machte die Bauern ſtutzen; ſie ſtießen einander an, flüſterten, aber Niemand gab eine Antwort. Iſt hier Niemand unter Euch, der eine Art von Amt bekleidet? wiederholte der Oberamtmann, ſchärfer betonend. Der Chirurgus trat vor, denn ſeine Ehre er- laubte ihm nicht, auf eine ſo beſtimmte Frage anonym zu bleiben. Er war ſich zwar bewußt, keiner- lei Staatsexamen gemacht zu haben und mitunter in Nothfällen auch zu raſiren; das ſchadete aber dem Gefühle ſeiner Würde nicht und trotzig, das Che- miſet aus der Weſte zerrend, ſagte er: Aller- dings habe ich ein Amt in dieſer Gemeine, nicht eine Art von Amt, ſondern ein Amt. So geht, Freund, jener Perſon nach und bringt ſie zum Vorſteher, damit ſie nach ihren Pa- pieren befragt werde, denn ihr Anzug und ihr gan- zes Betragen war höchſt auffallend, und das Paß- reglement ſchreibt vor, auf ſolche Verdacht erregende Individuen überall Augenmerk zu haben. Freundſchaft, verſetzte der Chirurgus mit dem landüblichen Ausdrucke, ich verſtehe Euch nicht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/429
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/429>, abgerufen am 28.07.2024.