Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueberzeugung nicht allein Zeit, sondern selbst Auf-
wand an Kosten erspart werde; ein Punct, der
ihm beinahe das Herz abstieß, denn, pflegte er
für sich zu sagen, wenn der Unverstand zu breit
regiert, so wird er dem ruhigsten Staatsbürger
unerträglich. -- Gern wäre er schon bei Frank-
furt wieder umgekehrt, und nur die Vorstellung,
daß diese Reise ein Geschäft sei, hielt ihn bei ihr fest.
Ihr Ende wünschte er jedoch mit Sehnsucht heran.

Indessen sollte sein Beharren doch auch einen
Lohn empfangen, der ihn einigermaßen schadlos
hielt für die Felsen, Burgen, Kirchen, Samm-
lungen, die er, wie er vielleicht nicht ganz unrich-
tig bemerkte, daheim schon eben so gut gesehen
hatte. In der Nähe des Rheins und den Strom
entlängst begannen nämlich die Reste der französi-
schen Verwaltung und die öffentliche Gerichtspflege,
welche ihm neu war, seine Aufmerksamkeit zu
fesseln und nahmen bald sein ganzes Interesse in
Anspruch. Nun gab es kein Regierungs- und kein
Justizhaus, was er nicht besuchte, ja seine Wiß-
begierde erstreckte sich bis zu den Friedensrichtern
und Polizeibüreaus hinunter. Er stellte sich überall
selbst als den Oberamtmann Ernst vom Schwarz-

Ueberzeugung nicht allein Zeit, ſondern ſelbſt Auf-
wand an Koſten erſpart werde; ein Punct, der
ihm beinahe das Herz abſtieß, denn, pflegte er
für ſich zu ſagen, wenn der Unverſtand zu breit
regiert, ſo wird er dem ruhigſten Staatsbürger
unerträglich. — Gern wäre er ſchon bei Frank-
furt wieder umgekehrt, und nur die Vorſtellung,
daß dieſe Reiſe ein Geſchäft ſei, hielt ihn bei ihr feſt.
Ihr Ende wünſchte er jedoch mit Sehnſucht heran.

Indeſſen ſollte ſein Beharren doch auch einen
Lohn empfangen, der ihn einigermaßen ſchadlos
hielt für die Felſen, Burgen, Kirchen, Samm-
lungen, die er, wie er vielleicht nicht ganz unrich-
tig bemerkte, daheim ſchon eben ſo gut geſehen
hatte. In der Nähe des Rheins und den Strom
entlängſt begannen nämlich die Reſte der franzöſi-
ſchen Verwaltung und die öffentliche Gerichtspflege,
welche ihm neu war, ſeine Aufmerkſamkeit zu
feſſeln und nahmen bald ſein ganzes Intereſſe in
Anſpruch. Nun gab es kein Regierungs- und kein
Juſtizhaus, was er nicht beſuchte, ja ſeine Wiß-
begierde erſtreckte ſich bis zu den Friedensrichtern
und Polizeibüreaus hinunter. Er ſtellte ſich überall
ſelbſt als den Oberamtmann Ernſt vom Schwarz-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0425" n="411"/>
Ueberzeugung nicht allein Zeit, &#x017F;ondern &#x017F;elb&#x017F;t Auf-<lb/>
wand an Ko&#x017F;ten er&#x017F;part werde; ein Punct, der<lb/>
ihm beinahe das Herz ab&#x017F;tieß, denn, pflegte er<lb/>
für &#x017F;ich zu &#x017F;agen, wenn der Unver&#x017F;tand zu breit<lb/>
regiert, &#x017F;o wird er dem ruhig&#x017F;ten Staatsbürger<lb/>
unerträglich. &#x2014; Gern wäre er &#x017F;chon bei Frank-<lb/>
furt wieder umgekehrt, und nur die Vor&#x017F;tellung,<lb/>
daß die&#x017F;e Rei&#x017F;e ein Ge&#x017F;chäft &#x017F;ei, hielt ihn bei ihr fe&#x017F;t.<lb/>
Ihr Ende wün&#x017F;chte er jedoch mit Sehn&#x017F;ucht heran.</p><lb/>
        <p>Inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollte &#x017F;ein Beharren doch auch einen<lb/>
Lohn empfangen, der ihn einigermaßen &#x017F;chadlos<lb/>
hielt für die Fel&#x017F;en, Burgen, Kirchen, Samm-<lb/>
lungen, die er, wie er vielleicht nicht ganz unrich-<lb/>
tig bemerkte, daheim &#x017F;chon eben &#x017F;o gut ge&#x017F;ehen<lb/>
hatte. In der Nähe des Rheins und den Strom<lb/>
entläng&#x017F;t begannen nämlich die Re&#x017F;te der franzö&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;chen Verwaltung und die öffentliche Gerichtspflege,<lb/>
welche ihm neu war, &#x017F;eine Aufmerk&#x017F;amkeit zu<lb/>
fe&#x017F;&#x017F;eln und nahmen bald &#x017F;ein ganzes Intere&#x017F;&#x017F;e in<lb/>
An&#x017F;pruch. Nun gab es kein Regierungs- und kein<lb/>
Ju&#x017F;tizhaus, was er nicht be&#x017F;uchte, ja &#x017F;eine Wiß-<lb/>
begierde er&#x017F;treckte &#x017F;ich bis zu den Friedensrichtern<lb/>
und Polizeibüreaus hinunter. Er &#x017F;tellte &#x017F;ich überall<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t als den Oberamtmann Ern&#x017F;t vom Schwarz-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[411/0425] Ueberzeugung nicht allein Zeit, ſondern ſelbſt Auf- wand an Koſten erſpart werde; ein Punct, der ihm beinahe das Herz abſtieß, denn, pflegte er für ſich zu ſagen, wenn der Unverſtand zu breit regiert, ſo wird er dem ruhigſten Staatsbürger unerträglich. — Gern wäre er ſchon bei Frank- furt wieder umgekehrt, und nur die Vorſtellung, daß dieſe Reiſe ein Geſchäft ſei, hielt ihn bei ihr feſt. Ihr Ende wünſchte er jedoch mit Sehnſucht heran. Indeſſen ſollte ſein Beharren doch auch einen Lohn empfangen, der ihn einigermaßen ſchadlos hielt für die Felſen, Burgen, Kirchen, Samm- lungen, die er, wie er vielleicht nicht ganz unrich- tig bemerkte, daheim ſchon eben ſo gut geſehen hatte. In der Nähe des Rheins und den Strom entlängſt begannen nämlich die Reſte der franzöſi- ſchen Verwaltung und die öffentliche Gerichtspflege, welche ihm neu war, ſeine Aufmerkſamkeit zu feſſeln und nahmen bald ſein ganzes Intereſſe in Anſpruch. Nun gab es kein Regierungs- und kein Juſtizhaus, was er nicht beſuchte, ja ſeine Wiß- begierde erſtreckte ſich bis zu den Friedensrichtern und Polizeibüreaus hinunter. Er ſtellte ſich überall ſelbſt als den Oberamtmann Ernſt vom Schwarz-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/425
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/425>, abgerufen am 24.11.2024.