der eigentliche Reisezweck ihres Begleiters sei. Sie meinte, es sei wunderseltsam, daß die Vernunft hinter der Thorheit her jage, das Einholen sei zweifelhaft, denn die Vernunft habe Elephanten- füße und die Thorheit federnde Sohlen. Und als er über diese leichten Reden ein verstimmtes Ge- sicht machen wollte, so hatte sie muthwillig geru- fen: Was gilt die Wette, daß Sie der Einzige von uns Allen sind, welcher auf dieser Reise Schwa- benstreiche begeht?
Nie war eine verschiedenartigere Gesellschaft zusammen auf Reisen gewesen. Die jungen Gat- ten wollten immer weiter, immer weiter, in Maynz sprachen sie von Rotterdam, in Coblenz von Am- sterdam, in Cöln sprach der junge Cavalier von England, was besucht werden solle, seine Dame rief: Nein, Schottland muß ich wenigstens sehen! -- Der ernste Begleiter sehnte sich dagegen schon nach den ersten zwanzig Meilen in seine Amtsstube zurück. Den jungen Gatten war kein Thurm zu hoch und kein Felsen zu steil, sie mußten ihn er- klimmen; er blieb dagegen meistentheils unten, und suchte sich so leidlich als möglich im Thale auf seine eigene Hand zu unterhalten. Wenn die
der eigentliche Reiſezweck ihres Begleiters ſei. Sie meinte, es ſei wunderſeltſam, daß die Vernunft hinter der Thorheit her jage, das Einholen ſei zweifelhaft, denn die Vernunft habe Elephanten- füße und die Thorheit federnde Sohlen. Und als er über dieſe leichten Reden ein verſtimmtes Ge- ſicht machen wollte, ſo hatte ſie muthwillig geru- fen: Was gilt die Wette, daß Sie der Einzige von uns Allen ſind, welcher auf dieſer Reiſe Schwa- benſtreiche begeht?
Nie war eine verſchiedenartigere Geſellſchaft zuſammen auf Reiſen geweſen. Die jungen Gat- ten wollten immer weiter, immer weiter, in Maynz ſprachen ſie von Rotterdam, in Coblenz von Am- ſterdam, in Cöln ſprach der junge Cavalier von England, was beſucht werden ſolle, ſeine Dame rief: Nein, Schottland muß ich wenigſtens ſehen! — Der ernſte Begleiter ſehnte ſich dagegen ſchon nach den erſten zwanzig Meilen in ſeine Amtsſtube zurück. Den jungen Gatten war kein Thurm zu hoch und kein Felſen zu ſteil, ſie mußten ihn er- klimmen; er blieb dagegen meiſtentheils unten, und ſuchte ſich ſo leidlich als möglich im Thale auf ſeine eigene Hand zu unterhalten. Wenn die
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der eigentliche Reiſezweck ihres Begleiters ſei. Sie
meinte, es ſei wunderſeltſam, daß die Vernunft
hinter der Thorheit her jage, das Einholen ſei
zweifelhaft, denn die Vernunft habe Elephanten-
füße und die Thorheit federnde Sohlen. Und als
er über dieſe leichten Reden ein verſtimmtes Ge-
ſicht machen wollte, ſo hatte ſie muthwillig geru-
fen: Was gilt die Wette, daß Sie der Einzige
von uns Allen ſind, welcher auf dieſer Reiſe Schwa-
benſtreiche begeht?
Nie war eine verſchiedenartigere Geſellſchaft
zuſammen auf Reiſen geweſen. Die jungen Gat-
ten wollten immer weiter, immer weiter, in Maynz
ſprachen ſie von Rotterdam, in Coblenz von Am-
ſterdam, in Cöln ſprach der junge Cavalier von
England, was beſucht werden ſolle, ſeine Dame
rief: Nein, Schottland muß ich wenigſtens ſehen!
— Der ernſte Begleiter ſehnte ſich dagegen ſchon
nach den erſten zwanzig Meilen in ſeine Amtsſtube
zurück. Den jungen Gatten war kein Thurm zu
hoch und kein Felſen zu ſteil, ſie mußten ihn er-
klimmen; er blieb dagegen meiſtentheils unten,
und ſuchte ſich ſo leidlich als möglich im Thale
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/423>, abgerufen am 24.11.2024.
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