Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

seine Freude durch einen Schrei verrathen, als er
das rostige Gewaffen darin liegen sah. Nun ist
es gut, nun will ich dir schon einen Tort anthun,
den du zeitlebens nicht verwinden sollst, murmelte
er. Ohne Geräusch zu machen, klappte er den
Deckel zu, bewegte sich leise nach der Thüre, zog
den Schlüssel von derselben, warf den Leierkasten
an dem Tragriemen über die Schulter, trat jetzt,
als kehre er noch einmal zurück, hart auf und
rief mit lauter Stimme: Hofschulze, noch ein Wort!

Der Hofschulze, der gerade mit seinem Hoch-
zeitsputze fertig geworden war, schritt in diesem
Augenblicke hinter dem Saatlaken hervor. Sein
Ansehen war höchst stattlich. Ein lichtblauer offen
hängender Tuchrock mit weiten, geräumigen Aermeln
gab der großen, markigen Gestalt Umfang und
Fülle, darunter saßen die neun Jacken, die er nur
so weit zugeknöpft hatte, daß alle, eine unter der
andern, sichtbar blieben. Auf das Haupt hatte er
sich den dreieckichten Hut mit breitem Rande, an
der Seite in die Höhe gekrempt, gedrückt, an den
Füßen trug er leinene Kamaschen, glänzend von
Weiße, und ein großer Stock bewehrte die braune,
runzlichte Faust. Erstaunt über die vermeintliche

ſeine Freude durch einen Schrei verrathen, als er
das roſtige Gewaffen darin liegen ſah. Nun iſt
es gut, nun will ich dir ſchon einen Tort anthun,
den du zeitlebens nicht verwinden ſollſt, murmelte
er. Ohne Geräuſch zu machen, klappte er den
Deckel zu, bewegte ſich leiſe nach der Thüre, zog
den Schlüſſel von derſelben, warf den Leierkaſten
an dem Tragriemen über die Schulter, trat jetzt,
als kehre er noch einmal zurück, hart auf und
rief mit lauter Stimme: Hofſchulze, noch ein Wort!

Der Hofſchulze, der gerade mit ſeinem Hoch-
zeitsputze fertig geworden war, ſchritt in dieſem
Augenblicke hinter dem Saatlaken hervor. Sein
Anſehen war höchſt ſtattlich. Ein lichtblauer offen
hängender Tuchrock mit weiten, geräumigen Aermeln
gab der großen, markigen Geſtalt Umfang und
Fülle, darunter ſaßen die neun Jacken, die er nur
ſo weit zugeknöpft hatte, daß alle, eine unter der
andern, ſichtbar blieben. Auf das Haupt hatte er
ſich den dreieckichten Hut mit breitem Rande, an
der Seite in die Höhe gekrempt, gedrückt, an den
Füßen trug er leinene Kamaſchen, glänzend von
Weiße, und ein großer Stock bewehrte die braune,
runzlichte Fauſt. Erſtaunt über die vermeintliche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0030" n="16"/>
&#x017F;eine Freude durch einen Schrei verrathen, als er<lb/>
das ro&#x017F;tige Gewaffen darin liegen &#x017F;ah. Nun i&#x017F;t<lb/>
es gut, nun will ich dir &#x017F;chon einen Tort anthun,<lb/>
den du zeitlebens nicht verwinden &#x017F;oll&#x017F;t, murmelte<lb/>
er. Ohne Geräu&#x017F;ch zu machen, klappte er den<lb/>
Deckel zu, bewegte &#x017F;ich lei&#x017F;e nach der Thüre, zog<lb/>
den Schlü&#x017F;&#x017F;el von der&#x017F;elben, warf den Leierka&#x017F;ten<lb/>
an dem Tragriemen über die Schulter, trat jetzt,<lb/>
als kehre er noch einmal zurück, hart auf und<lb/>
rief mit lauter Stimme: Hof&#x017F;chulze, noch ein Wort!</p><lb/>
          <p>Der Hof&#x017F;chulze, der gerade mit &#x017F;einem Hoch-<lb/>
zeitsputze fertig geworden war, &#x017F;chritt in die&#x017F;em<lb/>
Augenblicke hinter dem Saatlaken hervor. Sein<lb/>
An&#x017F;ehen war höch&#x017F;t &#x017F;tattlich. Ein lichtblauer offen<lb/>
hängender Tuchrock mit weiten, geräumigen Aermeln<lb/>
gab der großen, markigen Ge&#x017F;talt Umfang und<lb/>
Fülle, darunter &#x017F;aßen die <choice><sic>ueun</sic><corr>neun</corr></choice> Jacken, die er nur<lb/>
&#x017F;o weit zugeknöpft hatte, daß alle, eine unter der<lb/>
andern, &#x017F;ichtbar blieben. Auf das Haupt hatte er<lb/>
&#x017F;ich den dreieckichten Hut mit breitem Rande, an<lb/>
der Seite in die Höhe gekrempt, gedrückt, an den<lb/>
Füßen trug er leinene Kama&#x017F;chen, glänzend von<lb/>
Weiße, und ein großer Stock bewehrte die braune,<lb/>
runzlichte Fau&#x017F;t. Er&#x017F;taunt über die vermeintliche<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0030] ſeine Freude durch einen Schrei verrathen, als er das roſtige Gewaffen darin liegen ſah. Nun iſt es gut, nun will ich dir ſchon einen Tort anthun, den du zeitlebens nicht verwinden ſollſt, murmelte er. Ohne Geräuſch zu machen, klappte er den Deckel zu, bewegte ſich leiſe nach der Thüre, zog den Schlüſſel von derſelben, warf den Leierkaſten an dem Tragriemen über die Schulter, trat jetzt, als kehre er noch einmal zurück, hart auf und rief mit lauter Stimme: Hofſchulze, noch ein Wort! Der Hofſchulze, der gerade mit ſeinem Hoch- zeitsputze fertig geworden war, ſchritt in dieſem Augenblicke hinter dem Saatlaken hervor. Sein Anſehen war höchſt ſtattlich. Ein lichtblauer offen hängender Tuchrock mit weiten, geräumigen Aermeln gab der großen, markigen Geſtalt Umfang und Fülle, darunter ſaßen die neun Jacken, die er nur ſo weit zugeknöpft hatte, daß alle, eine unter der andern, ſichtbar blieben. Auf das Haupt hatte er ſich den dreieckichten Hut mit breitem Rande, an der Seite in die Höhe gekrempt, gedrückt, an den Füßen trug er leinene Kamaſchen, glänzend von Weiße, und ein großer Stock bewehrte die braune, runzlichte Fauſt. Erſtaunt über die vermeintliche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/30
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/30>, abgerufen am 24.11.2024.