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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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Nachtmahl ist er regelmäßig wach! Folglich darf
ich ihn nicht verachten. Verachten kann man nur
den, der Einen nicht incommodirt. Und Münch-
hausen ist mir jetzt zur größten Beschwer und ich
würde den für meinen besten Freund halten, der
mir diesen Gast vom Halse schaffte.

Er ging in das Zimmer des Freiherrn. Dieser
saß auf seinem Stuhle und das Haupt hing ihm
auf die Brust hinab. Er schlief fest und tief.
Der alte Baron nahm eine Feder, setzte sich vor
ihn, kitzelte ihn mit der Feder um den Mund und
rief: Münchhausen, wach auf!

Einer kitzelnden Feder mußte selbst der beharr-
liche Schlummer des Freiherrn weichen. Er kratzte
sich an der gekitzelten Stelle, riß die Augen weit
auf, sah seinen Wirth wüst an und fragte dann
matt und verdrossen: Was willst du, Schnuck?
Warum lässest du mich nicht in Ruhe?

Ich wünschte von dir zu erfahren, wie lange
du hier noch zu schlafen gedenkst? sagte der alte
Baron sehr ernst.

Ich wünschte, daß du mich lieber fragtest, wo-
her dieser chronische Schlummer rührt? versetzte in
gedehntem Tone der Freiherr.


Nachtmahl iſt er regelmäßig wach! Folglich darf
ich ihn nicht verachten. Verachten kann man nur
den, der Einen nicht incommodirt. Und Münch-
hauſen iſt mir jetzt zur größten Beſchwer und ich
würde den für meinen beſten Freund halten, der
mir dieſen Gaſt vom Halſe ſchaffte.

Er ging in das Zimmer des Freiherrn. Dieſer
ſaß auf ſeinem Stuhle und das Haupt hing ihm
auf die Bruſt hinab. Er ſchlief feſt und tief.
Der alte Baron nahm eine Feder, ſetzte ſich vor
ihn, kitzelte ihn mit der Feder um den Mund und
rief: Münchhauſen, wach auf!

Einer kitzelnden Feder mußte ſelbſt der beharr-
liche Schlummer des Freiherrn weichen. Er kratzte
ſich an der gekitzelten Stelle, riß die Augen weit
auf, ſah ſeinen Wirth wüſt an und fragte dann
matt und verdroſſen: Was willſt du, Schnuck?
Warum läſſeſt du mich nicht in Ruhe?

Ich wünſchte von dir zu erfahren, wie lange
du hier noch zu ſchlafen gedenkſt? ſagte der alte
Baron ſehr ernſt.

Ich wünſchte, daß du mich lieber fragteſt, wo-
her dieſer chroniſche Schlummer rührt? verſetzte in
gedehntem Tone der Freiherr.


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[240/0254] Nachtmahl iſt er regelmäßig wach! Folglich darf ich ihn nicht verachten. Verachten kann man nur den, der Einen nicht incommodirt. Und Münch- hauſen iſt mir jetzt zur größten Beſchwer und ich würde den für meinen beſten Freund halten, der mir dieſen Gaſt vom Halſe ſchaffte. Er ging in das Zimmer des Freiherrn. Dieſer ſaß auf ſeinem Stuhle und das Haupt hing ihm auf die Bruſt hinab. Er ſchlief feſt und tief. Der alte Baron nahm eine Feder, ſetzte ſich vor ihn, kitzelte ihn mit der Feder um den Mund und rief: Münchhauſen, wach auf! Einer kitzelnden Feder mußte ſelbſt der beharr- liche Schlummer des Freiherrn weichen. Er kratzte ſich an der gekitzelten Stelle, riß die Augen weit auf, ſah ſeinen Wirth wüſt an und fragte dann matt und verdroſſen: Was willſt du, Schnuck? Warum läſſeſt du mich nicht in Ruhe? Ich wünſchte von dir zu erfahren, wie lange du hier noch zu ſchlafen gedenkſt? ſagte der alte Baron ſehr ernſt. Ich wünſchte, daß du mich lieber fragteſt, wo- her dieſer chroniſche Schlummer rührt? verſetzte in gedehntem Tone der Freiherr.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/254>, abgerufen am 22.11.2024.