Nachtmahl ist er regelmäßig wach! Folglich darf ich ihn nicht verachten. Verachten kann man nur den, der Einen nicht incommodirt. Und Münch- hausen ist mir jetzt zur größten Beschwer und ich würde den für meinen besten Freund halten, der mir diesen Gast vom Halse schaffte.
Er ging in das Zimmer des Freiherrn. Dieser saß auf seinem Stuhle und das Haupt hing ihm auf die Brust hinab. Er schlief fest und tief. Der alte Baron nahm eine Feder, setzte sich vor ihn, kitzelte ihn mit der Feder um den Mund und rief: Münchhausen, wach auf!
Einer kitzelnden Feder mußte selbst der beharr- liche Schlummer des Freiherrn weichen. Er kratzte sich an der gekitzelten Stelle, riß die Augen weit auf, sah seinen Wirth wüst an und fragte dann matt und verdrossen: Was willst du, Schnuck? Warum lässest du mich nicht in Ruhe?
Ich wünschte von dir zu erfahren, wie lange du hier noch zu schlafen gedenkst? sagte der alte Baron sehr ernst.
Ich wünschte, daß du mich lieber fragtest, wo- her dieser chronische Schlummer rührt? versetzte in gedehntem Tone der Freiherr.
Nachtmahl iſt er regelmäßig wach! Folglich darf ich ihn nicht verachten. Verachten kann man nur den, der Einen nicht incommodirt. Und Münch- hauſen iſt mir jetzt zur größten Beſchwer und ich würde den für meinen beſten Freund halten, der mir dieſen Gaſt vom Halſe ſchaffte.
Er ging in das Zimmer des Freiherrn. Dieſer ſaß auf ſeinem Stuhle und das Haupt hing ihm auf die Bruſt hinab. Er ſchlief feſt und tief. Der alte Baron nahm eine Feder, ſetzte ſich vor ihn, kitzelte ihn mit der Feder um den Mund und rief: Münchhauſen, wach auf!
Einer kitzelnden Feder mußte ſelbſt der beharr- liche Schlummer des Freiherrn weichen. Er kratzte ſich an der gekitzelten Stelle, riß die Augen weit auf, ſah ſeinen Wirth wüſt an und fragte dann matt und verdroſſen: Was willſt du, Schnuck? Warum läſſeſt du mich nicht in Ruhe?
Ich wünſchte von dir zu erfahren, wie lange du hier noch zu ſchlafen gedenkſt? ſagte der alte Baron ſehr ernſt.
Ich wünſchte, daß du mich lieber fragteſt, wo- her dieſer chroniſche Schlummer rührt? verſetzte in gedehntem Tone der Freiherr.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0254"n="240"/>
Nachtmahl iſt er regelmäßig wach! Folglich darf<lb/>
ich ihn nicht verachten. Verachten kann man nur<lb/>
den, der Einen nicht incommodirt. Und Münch-<lb/>
hauſen iſt mir jetzt zur größten Beſchwer und ich<lb/>
würde den für meinen beſten Freund halten, der<lb/>
mir dieſen Gaſt vom Halſe ſchaffte.</p><lb/><p>Er ging in das Zimmer des Freiherrn. Dieſer<lb/>ſaß auf ſeinem Stuhle und das Haupt hing ihm<lb/>
auf die Bruſt hinab. Er ſchlief feſt und tief.<lb/>
Der alte Baron nahm eine Feder, ſetzte ſich vor<lb/>
ihn, kitzelte ihn mit der Feder um den Mund und<lb/>
rief: Münchhauſen, wach auf!</p><lb/><p>Einer kitzelnden Feder mußte ſelbſt der beharr-<lb/>
liche Schlummer des Freiherrn weichen. Er kratzte<lb/>ſich an der gekitzelten Stelle, riß die Augen weit<lb/>
auf, ſah ſeinen Wirth wüſt an und fragte dann<lb/>
matt und verdroſſen: Was willſt du, Schnuck?<lb/>
Warum läſſeſt du mich nicht in Ruhe?</p><lb/><p>Ich wünſchte von dir zu erfahren, wie lange<lb/>
du hier noch zu ſchlafen gedenkſt? ſagte der alte<lb/>
Baron ſehr ernſt.</p><lb/><p>Ich wünſchte, daß du mich lieber fragteſt, wo-<lb/>
her dieſer chroniſche Schlummer rührt? verſetzte in<lb/>
gedehntem Tone der Freiherr.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[240/0254]
Nachtmahl iſt er regelmäßig wach! Folglich darf
ich ihn nicht verachten. Verachten kann man nur
den, der Einen nicht incommodirt. Und Münch-
hauſen iſt mir jetzt zur größten Beſchwer und ich
würde den für meinen beſten Freund halten, der
mir dieſen Gaſt vom Halſe ſchaffte.
Er ging in das Zimmer des Freiherrn. Dieſer
ſaß auf ſeinem Stuhle und das Haupt hing ihm
auf die Bruſt hinab. Er ſchlief feſt und tief.
Der alte Baron nahm eine Feder, ſetzte ſich vor
ihn, kitzelte ihn mit der Feder um den Mund und
rief: Münchhauſen, wach auf!
Einer kitzelnden Feder mußte ſelbſt der beharr-
liche Schlummer des Freiherrn weichen. Er kratzte
ſich an der gekitzelten Stelle, riß die Augen weit
auf, ſah ſeinen Wirth wüſt an und fragte dann
matt und verdroſſen: Was willſt du, Schnuck?
Warum läſſeſt du mich nicht in Ruhe?
Ich wünſchte von dir zu erfahren, wie lange
du hier noch zu ſchlafen gedenkſt? ſagte der alte
Baron ſehr ernſt.
Ich wünſchte, daß du mich lieber fragteſt, wo-
her dieſer chroniſche Schlummer rührt? verſetzte in
gedehntem Tone der Freiherr.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/254>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.