Tropfen Blutes leuchtete und tanzte durch die Adern und doch saß mir im tiefsten Herzen das aller- äußerste Grauen vor dieser Verfassung und die heißeste Bitte um Erweckung aus meinem Schlafe. Aber ich spürte, daß von dem Grauen nichts in mein Antlitz trat, wunderbarer Weise konnte ich mich selbst schauen und sah, daß meine Wangen von der Wonne lächelten, als würden mir himm- lische Freudenlieder zugesungen. Immer weiter griff die Wonne in mein Herz, immer weiter drängte sie das Grauen zurück, eine furchtbare Angst befiel mich, daß dieses Pünctchen ganz aus mir getilgt und ich eitel Wonne werden würde.
In dieser Noth, und dem Verschwinden alles Bewußtseyns nahe, gelobte ich mich dem, der mich erwecken und befreien werde, zu eigen. Ich sah nun durch meine geschlossenen Augenlieder eine dunkele Gestalt sich über mich beugen. Das Antlitz war edel und groß, und doch fühlte ich einen tiefen Widerwillen gegen Diesen und es flog wie ein Schatten durch meine Empfindung, daß er es ge- wesen seyn möchte, der das verdammliche Wort gesprochen habe. Aber immer rief ich stumm in mir und doch laut für mich: Wenn er dich weckt
Tropfen Blutes leuchtete und tanzte durch die Adern und doch ſaß mir im tiefſten Herzen das aller- äußerſte Grauen vor dieſer Verfaſſung und die heißeſte Bitte um Erweckung aus meinem Schlafe. Aber ich ſpürte, daß von dem Grauen nichts in mein Antlitz trat, wunderbarer Weiſe konnte ich mich ſelbſt ſchauen und ſah, daß meine Wangen von der Wonne lächelten, als würden mir himm- liſche Freudenlieder zugeſungen. Immer weiter griff die Wonne in mein Herz, immer weiter drängte ſie das Grauen zurück, eine furchtbare Angſt befiel mich, daß dieſes Pünctchen ganz aus mir getilgt und ich eitel Wonne werden würde.
In dieſer Noth, und dem Verſchwinden alles Bewußtſeyns nahe, gelobte ich mich dem, der mich erwecken und befreien werde, zu eigen. Ich ſah nun durch meine geſchloſſenen Augenlieder eine dunkele Geſtalt ſich über mich beugen. Das Antlitz war edel und groß, und doch fühlte ich einen tiefen Widerwillen gegen Dieſen und es flog wie ein Schatten durch meine Empfindung, daß er es ge- weſen ſeyn möchte, der das verdammliche Wort geſprochen habe. Aber immer rief ich ſtumm in mir und doch laut für mich: Wenn er dich weckt
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Tropfen Blutes leuchtete und tanzte durch die Adern
und doch ſaß mir im tiefſten Herzen das aller-
äußerſte Grauen vor dieſer Verfaſſung und die
heißeſte Bitte um Erweckung aus meinem Schlafe.
Aber ich ſpürte, daß von dem Grauen nichts in
mein Antlitz trat, wunderbarer Weiſe konnte ich
mich ſelbſt ſchauen und ſah, daß meine Wangen
von der Wonne lächelten, als würden mir himm-
liſche Freudenlieder zugeſungen. Immer weiter
griff die Wonne in mein Herz, immer weiter
drängte ſie das Grauen zurück, eine furchtbare
Angſt befiel mich, daß dieſes Pünctchen ganz aus
mir getilgt und ich eitel Wonne werden würde.
In dieſer Noth, und dem Verſchwinden alles
Bewußtſeyns nahe, gelobte ich mich dem, der mich
erwecken und befreien werde, zu eigen. Ich ſah
nun durch meine geſchloſſenen Augenlieder eine dunkele
Geſtalt ſich über mich beugen. Das Antlitz war
edel und groß, und doch fühlte ich einen tiefen
Widerwillen gegen Dieſen und es flog wie ein
Schatten durch meine Empfindung, daß er es ge-
weſen ſeyn möchte, der das verdammliche Wort
geſprochen habe. Aber immer rief ich ſtumm in
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/194>, abgerufen am 22.11.2024.
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