Freunde aus. Dieser wandte sich seitwärts ab und zog seinen Arm verweigernd zurück. Was fällt dir ein? rief er unwillig lächelnd. Ach, mein Konrad, hätte ich nicht vorher gesagt, daß Jedem seine Straße gewiesen sei, so würde ich dir zurufen: Kehre du um, du Leichtsinn, du Fahrlässiger! Die Jugend vergeht, der Scherz verklingt, das Lachen will eines Tages plötzlich nicht mehr gelingen, weil das Antlitz zu starr geworden ist, oder grinset wider- wärtig aus welken Runzeln! Wehe dem, wessen Scheuren dann nicht voll, wessen Kammern nicht gerüstet sind! Ach! es muß etwas Trübes um so ein kahles, verarmtes Alter seyn, und das Sprichwort hat wohl Recht, welches sagt: Zu lustig am Morgen, schafft Abends Kummer und Sorgen. Wenn ich dich so ansehe, mein Jugendbruder, kann mir recht bange um dich werden, o wer weiß, wie verwandelt ich dich wieder treffe!
Der Ritter schüttelte dem ernsten Schüler herz- lich die Hand und rief: Vielleicht bist du verwan- delt, stoßen wir wieder auf einander, prunkst in Sammer und Seide, und thust's uns Allen zuvor! -- Er sprengte davon, und aus der Ferne hörte der Schüler ihn noch ein Lied singen, welches
Freunde aus. Dieſer wandte ſich ſeitwärts ab und zog ſeinen Arm verweigernd zurück. Was fällt dir ein? rief er unwillig lächelnd. Ach, mein Konrad, hätte ich nicht vorher geſagt, daß Jedem ſeine Straße gewieſen ſei, ſo würde ich dir zurufen: Kehre du um, du Leichtſinn, du Fahrläſſiger! Die Jugend vergeht, der Scherz verklingt, das Lachen will eines Tages plötzlich nicht mehr gelingen, weil das Antlitz zu ſtarr geworden iſt, oder grinſet wider- wärtig aus welken Runzeln! Wehe dem, weſſen Scheuren dann nicht voll, weſſen Kammern nicht gerüſtet ſind! Ach! es muß etwas Trübes um ſo ein kahles, verarmtes Alter ſeyn, und das Sprichwort hat wohl Recht, welches ſagt: Zu luſtig am Morgen, ſchafft Abends Kummer und Sorgen. Wenn ich dich ſo anſehe, mein Jugendbruder, kann mir recht bange um dich werden, o wer weiß, wie verwandelt ich dich wieder treffe!
Der Ritter ſchüttelte dem ernſten Schüler herz- lich die Hand und rief: Vielleicht biſt du verwan- delt, ſtoßen wir wieder auf einander, prunkſt in Sammer und Seide, und thuſt’s uns Allen zuvor! — Er ſprengte davon, und aus der Ferne hörte der Schüler ihn noch ein Lied ſingen, welches
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Freunde aus. Dieſer wandte ſich ſeitwärts ab und
zog ſeinen Arm verweigernd zurück. Was fällt dir
ein? rief er unwillig lächelnd. Ach, mein Konrad,
hätte ich nicht vorher geſagt, daß Jedem ſeine Straße
gewieſen ſei, ſo würde ich dir zurufen: Kehre du
um, du Leichtſinn, du Fahrläſſiger! Die Jugend
vergeht, der Scherz verklingt, das Lachen will
eines Tages plötzlich nicht mehr gelingen, weil das
Antlitz zu ſtarr geworden iſt, oder grinſet wider-
wärtig aus welken Runzeln! Wehe dem, weſſen
Scheuren dann nicht voll, weſſen Kammern nicht
gerüſtet ſind! Ach! es muß etwas Trübes um ſo ein
kahles, verarmtes Alter ſeyn, und das Sprichwort
hat wohl Recht, welches ſagt: Zu luſtig am Morgen,
ſchafft Abends Kummer und Sorgen. Wenn ich dich
ſo anſehe, mein Jugendbruder, kann mir recht bange
um dich werden, o wer weiß, wie verwandelt ich
dich wieder treffe!
Der Ritter ſchüttelte dem ernſten Schüler herz-
lich die Hand und rief: Vielleicht biſt du verwan-
delt, ſtoßen wir wieder auf einander, prunkſt in
Sammer und Seide, und thuſt’s uns Allen zuvor!
— Er ſprengte davon, und aus der Ferne hörte
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/168>, abgerufen am 24.11.2024.
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