und fragte sie: Sag mir an, meine Lisbeth, wie ist es nur zugegangen, daß du so geworden bist, so eigen, tief und sonderbar?
Wie bin ich denn? fragte sie unschuldig. Ich bin, wie ich bin, wie soll man anders seyn? Ich that, was mir oblag, viel verdanke ich auch dem Fräulein und dem alten Herrn Baron, die beide so klug und gebildet sind. Was in den Büchern stand, die ich für mich las, behielt ich, und dann hatte ich jederzeit schon als Kind über Alles meine Gedanken, von denen ich gar nicht wußte, woher sie kamen.
Die werden wohl das Beste an dir gethan haben, meine Lisbeth. Wollen wir nun zur schö- nen Blume gehen? Mich dünkt, sie blüht nahebei.
Sie nahm seinen Arm, bat ihn aber, nun ver- nünftig zu seyn. Sie gingen durch den Forst, kleine grüne Stege hinab. Sein Herz, ihr Herz war ruhiger geworden, sie genossen sich und ihre Seligkeit gesänftigter; eine Sabbathstille hatte sich in ihre Busen gesenkt. Von gleichgültigen Dingen sprachen sie, dazwischen von ihrer Zukunft, die wie ein rosenrother Traum vor ihnen schwebte. Sie sagte ihm, er möge nur Alles so einrichten, wie
und fragte ſie: Sag mir an, meine Lisbeth, wie iſt es nur zugegangen, daß du ſo geworden biſt, ſo eigen, tief und ſonderbar?
Wie bin ich denn? fragte ſie unſchuldig. Ich bin, wie ich bin, wie ſoll man anders ſeyn? Ich that, was mir oblag, viel verdanke ich auch dem Fräulein und dem alten Herrn Baron, die beide ſo klug und gebildet ſind. Was in den Büchern ſtand, die ich für mich las, behielt ich, und dann hatte ich jederzeit ſchon als Kind über Alles meine Gedanken, von denen ich gar nicht wußte, woher ſie kamen.
Die werden wohl das Beſte an dir gethan haben, meine Lisbeth. Wollen wir nun zur ſchö- nen Blume gehen? Mich dünkt, ſie blüht nahebei.
Sie nahm ſeinen Arm, bat ihn aber, nun ver- nünftig zu ſeyn. Sie gingen durch den Forſt, kleine grüne Stege hinab. Sein Herz, ihr Herz war ruhiger geworden, ſie genoſſen ſich und ihre Seligkeit geſänftigter; eine Sabbathſtille hatte ſich in ihre Buſen geſenkt. Von gleichgültigen Dingen ſprachen ſie, dazwiſchen von ihrer Zukunft, die wie ein roſenrother Traum vor ihnen ſchwebte. Sie ſagte ihm, er möge nur Alles ſo einrichten, wie
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und fragte ſie: Sag mir an, meine Lisbeth, wie
iſt es nur zugegangen, daß du ſo geworden biſt,
ſo eigen, tief und ſonderbar?
Wie bin ich denn? fragte ſie unſchuldig. Ich
bin, wie ich bin, wie ſoll man anders ſeyn? Ich
that, was mir oblag, viel verdanke ich auch dem
Fräulein und dem alten Herrn Baron, die beide
ſo klug und gebildet ſind. Was in den Büchern
ſtand, die ich für mich las, behielt ich, und dann
hatte ich jederzeit ſchon als Kind über Alles
meine Gedanken, von denen ich gar nicht wußte,
woher ſie kamen.
Die werden wohl das Beſte an dir gethan
haben, meine Lisbeth. Wollen wir nun zur ſchö-
nen Blume gehen? Mich dünkt, ſie blüht nahebei.
Sie nahm ſeinen Arm, bat ihn aber, nun ver-
nünftig zu ſeyn. Sie gingen durch den Forſt,
kleine grüne Stege hinab. Sein Herz, ihr Herz
war ruhiger geworden, ſie genoſſen ſich und ihre
Seligkeit geſänftigter; eine Sabbathſtille hatte ſich
in ihre Buſen geſenkt. Von gleichgültigen Dingen
ſprachen ſie, dazwiſchen von ihrer Zukunft, die wie
ein roſenrother Traum vor ihnen ſchwebte. Sie
ſagte ihm, er möge nur Alles ſo einrichten, wie
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/132>, abgerufen am 25.11.2024.
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