Uebrigens wußte sie kaum noch, ob sie auf der Erde wandelte. Sie dachte und sah nur den Prätendenten von Hechelkram, den Altar der Freund- schaft und das ihr winkende Stiftskreuz. Der kleine Haushalt litt freilich sehr unter dieser glücklichen Entwirrung schwieriger Verhältnisse. Auf die Suppe mußte nach und nach ganz verzichtet werden, da sie niemals zu genießen stand, oder der Schulmeister hatte mit seiner schwarzen auszuhelfen. Alles Fleisch aber stahl regelmäßig die Katze, weil der masquirte Fürst unersättlich war. Der alte Baron wünschte sich hundertmal des Tages über verdrieß- lich seine Lisbeth zurück. Wo er die Katze, die vermeintliche Räuberin der Speisen sah, schlug er nach ihr; ach, er wußte nicht, daß Karlos der Schmetterling die Schlange war, die er am Busen nährte. Nannte nun gar seine Tochter diesen Na- men (und sie nannte seit der großen Entdeckung Buttervogel'n nie anders) so wollte er, nachdem er einigemale über den blühenden Tropus gelacht hatte, schier verzweifeln, denn er begann zu fürchten, daß sein armes Kind sich mit starken Schritten einer unglückseligen Verwandlung nahe.
Uebrigens wußte ſie kaum noch, ob ſie auf der Erde wandelte. Sie dachte und ſah nur den Prätendenten von Hechelkram, den Altar der Freund- ſchaft und das ihr winkende Stiftskreuz. Der kleine Haushalt litt freilich ſehr unter dieſer glücklichen Entwirrung ſchwieriger Verhältniſſe. Auf die Suppe mußte nach und nach ganz verzichtet werden, da ſie niemals zu genießen ſtand, oder der Schulmeiſter hatte mit ſeiner ſchwarzen auszuhelfen. Alles Fleiſch aber ſtahl regelmäßig die Katze, weil der masquirte Fürſt unerſättlich war. Der alte Baron wünſchte ſich hundertmal des Tages über verdrieß- lich ſeine Lisbeth zurück. Wo er die Katze, die vermeintliche Räuberin der Speiſen ſah, ſchlug er nach ihr; ach, er wußte nicht, daß Karlos der Schmetterling die Schlange war, die er am Buſen nährte. Nannte nun gar ſeine Tochter dieſen Na- men (und ſie nannte ſeit der großen Entdeckung Buttervogel’n nie anders) ſo wollte er, nachdem er einigemale über den blühenden Tropus gelacht hatte, ſchier verzweifeln, denn er begann zu fürchten, daß ſein armes Kind ſich mit ſtarken Schritten einer unglückſeligen Verwandlung nahe.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0062"n="44"/><p>Uebrigens wußte ſie kaum noch, ob ſie auf<lb/>
der Erde wandelte. Sie dachte und ſah nur den<lb/>
Prätendenten von Hechelkram, den Altar der Freund-<lb/>ſchaft und das ihr winkende Stiftskreuz. Der kleine<lb/>
Haushalt litt freilich ſehr unter dieſer glücklichen<lb/>
Entwirrung ſchwieriger Verhältniſſe. Auf die Suppe<lb/>
mußte nach und nach ganz verzichtet werden, da ſie<lb/>
niemals zu genießen ſtand, oder der Schulmeiſter<lb/>
hatte mit ſeiner ſchwarzen auszuhelfen. Alles<lb/>
Fleiſch aber ſtahl regelmäßig die Katze, weil der<lb/>
masquirte Fürſt unerſättlich war. Der alte Baron<lb/>
wünſchte ſich hundertmal des Tages über verdrieß-<lb/>
lich ſeine Lisbeth zurück. Wo er die Katze, die<lb/>
vermeintliche Räuberin der Speiſen ſah, ſchlug er<lb/>
nach ihr; ach, er wußte nicht, daß Karlos der<lb/>
Schmetterling die Schlange war, die er am Buſen<lb/>
nährte. Nannte nun gar ſeine Tochter dieſen Na-<lb/>
men (und ſie nannte ſeit der großen Entdeckung<lb/>
Buttervogel’n nie anders) ſo wollte er, nachdem er<lb/>
einigemale über den blühenden Tropus gelacht hatte,<lb/>ſchier verzweifeln, denn er begann zu fürchten, daß<lb/>ſein armes Kind ſich mit ſtarken Schritten einer<lb/>
unglückſeligen Verwandlung nahe.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[44/0062]
Uebrigens wußte ſie kaum noch, ob ſie auf
der Erde wandelte. Sie dachte und ſah nur den
Prätendenten von Hechelkram, den Altar der Freund-
ſchaft und das ihr winkende Stiftskreuz. Der kleine
Haushalt litt freilich ſehr unter dieſer glücklichen
Entwirrung ſchwieriger Verhältniſſe. Auf die Suppe
mußte nach und nach ganz verzichtet werden, da ſie
niemals zu genießen ſtand, oder der Schulmeiſter
hatte mit ſeiner ſchwarzen auszuhelfen. Alles
Fleiſch aber ſtahl regelmäßig die Katze, weil der
masquirte Fürſt unerſättlich war. Der alte Baron
wünſchte ſich hundertmal des Tages über verdrieß-
lich ſeine Lisbeth zurück. Wo er die Katze, die
vermeintliche Räuberin der Speiſen ſah, ſchlug er
nach ihr; ach, er wußte nicht, daß Karlos der
Schmetterling die Schlange war, die er am Buſen
nährte. Nannte nun gar ſeine Tochter dieſen Na-
men (und ſie nannte ſeit der großen Entdeckung
Buttervogel’n nie anders) ſo wollte er, nachdem er
einigemale über den blühenden Tropus gelacht hatte,
ſchier verzweifeln, denn er begann zu fürchten, daß
ſein armes Kind ſich mit ſtarken Schritten einer
unglückſeligen Verwandlung nahe.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/62>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.