Ich stand heute in der Frühe schon mit einer Fülle von Ahnungen von meinem Lager auf. Die Strümpfe sahen mich so bedeutend an, in den Pantoffeln war ein stilles Wesen und Weben, die lange Schnuppe des Nachtlichts, welches herabge- brannt war, wies tiefsinnige Figuren. Ist es mir doch einmal bestimmt, daß nichts gewöhnlich um mich seyn kann, bin ich doch in allen meinen Tagen das Spielwerk dunkler, hoher Mächte gewesen!
Mein Haupt war wirr und wüst! Ich stieß das Fenster auf, die glühende Wange im Morgen- winde zu kühlen. Von Nizza hatte ich in der Nacht geträumt, vom Meer, von den Alpen. Die beiden Juden hatte ich auf dem höchsten Gipfel gesehen, die mich nach der schrecklichen Katastrophe den El- tern brachten. Sie standen in einer Glorie von Sonnenstrahlen, hatten Schmerz in den Zügen, und ich hörte den Einen zum Andern sagen: Daß man uns gemacht hat zu guten Staatsbürgern, das ist die Trauer von unsren Leuten in der Gegen- wart, woraus sie malen Bilder und schreiben Verse. Die alte Zeit, die alte Zeit war besser, Jakob, wo wir 'rum liefen, wie unsre Väter in der Wüste Sin, die da lieget zwischen Elim und Sinai.
Ich ſtand heute in der Frühe ſchon mit einer Fülle von Ahnungen von meinem Lager auf. Die Strümpfe ſahen mich ſo bedeutend an, in den Pantoffeln war ein ſtilles Weſen und Weben, die lange Schnuppe des Nachtlichts, welches herabge- brannt war, wies tiefſinnige Figuren. Iſt es mir doch einmal beſtimmt, daß nichts gewöhnlich um mich ſeyn kann, bin ich doch in allen meinen Tagen das Spielwerk dunkler, hoher Mächte geweſen!
Mein Haupt war wirr und wüſt! Ich ſtieß das Fenſter auf, die glühende Wange im Morgen- winde zu kühlen. Von Nizza hatte ich in der Nacht geträumt, vom Meer, von den Alpen. Die beiden Juden hatte ich auf dem höchſten Gipfel geſehen, die mich nach der ſchrecklichen Kataſtrophe den El- tern brachten. Sie ſtanden in einer Glorie von Sonnenſtrahlen, hatten Schmerz in den Zügen, und ich hörte den Einen zum Andern ſagen: Daß man uns gemacht hat zu guten Staatsbürgern, das iſt die Trauer von unſren Leuten in der Gegen- wart, woraus ſie malen Bilder und ſchreiben Verſe. Die alte Zeit, die alte Zeit war beſſer, Jakob, wo wir ’rum liefen, wie unſre Väter in der Wüſte Sin, die da lieget zwiſchen Elim und Sinai.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0040"n="22"/><p>Ich ſtand heute in der Frühe ſchon mit einer<lb/>
Fülle von Ahnungen von meinem Lager auf. Die<lb/>
Strümpfe ſahen mich ſo bedeutend an, in den<lb/>
Pantoffeln war ein ſtilles Weſen und Weben, die<lb/>
lange Schnuppe des Nachtlichts, welches herabge-<lb/>
brannt war, wies tiefſinnige Figuren. Iſt es mir<lb/>
doch einmal beſtimmt, daß nichts gewöhnlich um<lb/>
mich ſeyn kann, bin ich doch in allen meinen Tagen<lb/>
das Spielwerk dunkler, hoher Mächte geweſen!</p><lb/><p>Mein Haupt war wirr und wüſt! Ich ſtieß<lb/>
das Fenſter auf, die glühende Wange im Morgen-<lb/>
winde zu kühlen. Von Nizza hatte ich in der Nacht<lb/>
geträumt, vom Meer, von den Alpen. Die beiden<lb/>
Juden hatte ich auf dem höchſten Gipfel geſehen,<lb/>
die mich nach der ſchrecklichen Kataſtrophe den El-<lb/>
tern brachten. Sie ſtanden in einer Glorie von<lb/>
Sonnenſtrahlen, hatten Schmerz in den Zügen,<lb/>
und ich hörte den Einen zum Andern ſagen: Daß<lb/>
man uns gemacht hat zu guten Staatsbürgern, das<lb/>
iſt die Trauer von unſren Leuten in der Gegen-<lb/>
wart, woraus ſie malen Bilder und ſchreiben Verſe.<lb/>
Die alte Zeit, die alte Zeit war beſſer, Jakob,<lb/>
wo wir ’rum liefen, wie unſre Väter in der Wüſte<lb/>
Sin, die da lieget zwiſchen Elim und Sinai.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[22/0040]
Ich ſtand heute in der Frühe ſchon mit einer
Fülle von Ahnungen von meinem Lager auf. Die
Strümpfe ſahen mich ſo bedeutend an, in den
Pantoffeln war ein ſtilles Weſen und Weben, die
lange Schnuppe des Nachtlichts, welches herabge-
brannt war, wies tiefſinnige Figuren. Iſt es mir
doch einmal beſtimmt, daß nichts gewöhnlich um
mich ſeyn kann, bin ich doch in allen meinen Tagen
das Spielwerk dunkler, hoher Mächte geweſen!
Mein Haupt war wirr und wüſt! Ich ſtieß
das Fenſter auf, die glühende Wange im Morgen-
winde zu kühlen. Von Nizza hatte ich in der Nacht
geträumt, vom Meer, von den Alpen. Die beiden
Juden hatte ich auf dem höchſten Gipfel geſehen,
die mich nach der ſchrecklichen Kataſtrophe den El-
tern brachten. Sie ſtanden in einer Glorie von
Sonnenſtrahlen, hatten Schmerz in den Zügen,
und ich hörte den Einen zum Andern ſagen: Daß
man uns gemacht hat zu guten Staatsbürgern, das
iſt die Trauer von unſren Leuten in der Gegen-
wart, woraus ſie malen Bilder und ſchreiben Verſe.
Die alte Zeit, die alte Zeit war beſſer, Jakob,
wo wir ’rum liefen, wie unſre Väter in der Wüſte
Sin, die da lieget zwiſchen Elim und Sinai.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/40>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.