Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

er der Empfindsamkeit des Fräuleins schmeichelte,
Ihren Geheimenrathsbegriff abwechselnd hochstellte
oder reizte, und während Sie Beide fortfuhren,
von Ihren ungewöhnlichen Gedanken gegenseitig
aufmerkende Kunde zu nehmen, bekümmerten weder
Sie noch der Freiherr sich um die Vorstellungen
eines armen Dorfschulmeisters --

Ihr werdet ausfallend, Schulmeister! rief der
alte Baron. Nach Eurer Folgerung wäre ich also
selbst --

Mein Gönner verstehe mich, unterbrach ihn der
Andere. Die Sprache führt in ihrem Eigensinne
derartige verfängliche Wendungen herbei, welche
der Sprechende keinesweges beabsichtigte. Ich fol-
gere nicht; meine einzige Absicht ist, mich Ihnen
aufzuschließen. -- Weder durch eingehendes Lob
gehoben, noch durch Widerspruch gekräftigt, ent-
behrte sonach die Pflanze meines Wahnwitzes (um
bildlich zu reden) des befruchtenden Regens sowohl,
als des Sturmes, der ihre Wurzeln im Boden
befestiget hätte. Sie mußte also nach und nach
in solcher Dürre vertrocknen, welken und absterben.
Dieß schlich lange in mir umher; Sie würden,
wenn Sie mich näher zu beobachten nicht unter

Immermann's Münchhausen. 2. Th. 15

er der Empfindſamkeit des Fräuleins ſchmeichelte,
Ihren Geheimenrathsbegriff abwechſelnd hochſtellte
oder reizte, und während Sie Beide fortfuhren,
von Ihren ungewöhnlichen Gedanken gegenſeitig
aufmerkende Kunde zu nehmen, bekümmerten weder
Sie noch der Freiherr ſich um die Vorſtellungen
eines armen Dorfſchulmeiſters —

Ihr werdet ausfallend, Schulmeiſter! rief der
alte Baron. Nach Eurer Folgerung wäre ich alſo
ſelbſt —

Mein Gönner verſtehe mich, unterbrach ihn der
Andere. Die Sprache führt in ihrem Eigenſinne
derartige verfängliche Wendungen herbei, welche
der Sprechende keinesweges beabſichtigte. Ich fol-
gere nicht; meine einzige Abſicht iſt, mich Ihnen
aufzuſchließen. — Weder durch eingehendes Lob
gehoben, noch durch Widerſpruch gekräftigt, ent-
behrte ſonach die Pflanze meines Wahnwitzes (um
bildlich zu reden) des befruchtenden Regens ſowohl,
als des Sturmes, der ihre Wurzeln im Boden
befeſtiget hätte. Sie mußte alſo nach und nach
in ſolcher Dürre vertrocknen, welken und abſterben.
Dieß ſchlich lange in mir umher; Sie würden,
wenn Sie mich näher zu beobachten nicht unter

Immermann’s Münchhauſen. 2. Th. 15
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0243" n="225"/>
er der Empfind&#x017F;amkeit des Fräuleins &#x017F;chmeichelte,<lb/>
Ihren Geheimenrathsbegriff abwech&#x017F;elnd hoch&#x017F;tellte<lb/>
oder reizte, und während Sie Beide fortfuhren,<lb/>
von Ihren ungewöhnlichen Gedanken gegen&#x017F;eitig<lb/>
aufmerkende Kunde zu nehmen, bekümmerten weder<lb/>
Sie noch der Freiherr &#x017F;ich um die Vor&#x017F;tellungen<lb/>
eines armen Dorf&#x017F;chulmei&#x017F;ters &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ihr werdet ausfallend, Schulmei&#x017F;ter! rief der<lb/>
alte Baron. Nach Eurer Folgerung wäre ich al&#x017F;o<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x2014;</p><lb/>
          <p>Mein Gönner ver&#x017F;tehe mich, unterbrach ihn der<lb/>
Andere. Die Sprache führt in ihrem Eigen&#x017F;inne<lb/>
derartige verfängliche Wendungen herbei, welche<lb/>
der Sprechende keinesweges beab&#x017F;ichtigte. Ich fol-<lb/>
gere nicht; meine einzige Ab&#x017F;icht i&#x017F;t, mich Ihnen<lb/>
aufzu&#x017F;chließen. &#x2014; Weder durch eingehendes Lob<lb/>
gehoben, noch durch Wider&#x017F;pruch gekräftigt, ent-<lb/>
behrte &#x017F;onach die Pflanze meines Wahnwitzes (um<lb/>
bildlich zu reden) des befruchtenden Regens &#x017F;owohl,<lb/>
als des Sturmes, der ihre Wurzeln im Boden<lb/>
befe&#x017F;tiget hätte. Sie mußte al&#x017F;o nach und nach<lb/>
in &#x017F;olcher Dürre vertrocknen, welken und ab&#x017F;terben.<lb/>
Dieß &#x017F;chlich lange in mir umher; Sie würden,<lb/>
wenn Sie mich näher zu beobachten nicht unter<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Immermann&#x2019;s Münchhau&#x017F;en. 2. Th. 15</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0243] er der Empfindſamkeit des Fräuleins ſchmeichelte, Ihren Geheimenrathsbegriff abwechſelnd hochſtellte oder reizte, und während Sie Beide fortfuhren, von Ihren ungewöhnlichen Gedanken gegenſeitig aufmerkende Kunde zu nehmen, bekümmerten weder Sie noch der Freiherr ſich um die Vorſtellungen eines armen Dorfſchulmeiſters — Ihr werdet ausfallend, Schulmeiſter! rief der alte Baron. Nach Eurer Folgerung wäre ich alſo ſelbſt — Mein Gönner verſtehe mich, unterbrach ihn der Andere. Die Sprache führt in ihrem Eigenſinne derartige verfängliche Wendungen herbei, welche der Sprechende keinesweges beabſichtigte. Ich fol- gere nicht; meine einzige Abſicht iſt, mich Ihnen aufzuſchließen. — Weder durch eingehendes Lob gehoben, noch durch Widerſpruch gekräftigt, ent- behrte ſonach die Pflanze meines Wahnwitzes (um bildlich zu reden) des befruchtenden Regens ſowohl, als des Sturmes, der ihre Wurzeln im Boden befeſtiget hätte. Sie mußte alſo nach und nach in ſolcher Dürre vertrocknen, welken und abſterben. Dieß ſchlich lange in mir umher; Sie würden, wenn Sie mich näher zu beobachten nicht unter Immermann’s Münchhauſen. 2. Th. 15

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/243
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/243>, abgerufen am 04.12.2024.